Impuls 186. Loslassen und Fokus für Ihr Team
Mein Buch „Loslassen für Führungskräfte“ wurde zum besten Managementbuch 2013 aus 500 Büchern auserkoren. Toller Erfolg, klar.
ABER: Viele Führungskräfte sprachen insbesondere einen Kritikpunkt an: Delegieren an die Mitarbeiter ist ja super. Aber was, wenn die Mitarbeiter den Schreibtisch auch schon voll haben?
Das ist in der Tat eine Herausforderung! Nicht nur für die zu netten Chefs, die schnell Skrupel haben, ihren Mitarbeitern zu viel aufzubürden.
Selbst für diejenigen unter ihnen, die richtig gut sind im Delegieren, ist das ein Problem. Denn Ihre Mitarbeiter nehmen zwar die Aufgabe an, liefern aber dann nicht pünktlich oder nicht in der gewünschten Qualität ab, da deren Schreibtisch zu voll ist.
Jetzt können Sie mit Ihrem Team einen Tagesworkshop durchführen. Prioritäten ausführlich diskutieren und Strategie und Prioritäten gemeinsam festlegen. Das habe ich auch schon mehrmals mit Teams gemacht. Ist auch eine gute Idee. Aber es gibt für Sie hier im Blog einen einfacheren Weg, der Sie auch schon deutlich voranbringen wird.
Die Rettung ist ein Meeting!
Führen Sie ein „Loslassen-und-Fokus-Meeting“ durch. Ziel dieses Meetings ist, gemeinsam zu erarbeiten, wie Sie selbst und Ihre Mitarbeiter sich noch besser auf das wirklich Wesentliche konzentrieren können.
Wie machen Sie das ganz konkret?
Informieren Sie Ihre Mitarbeiter persönlich über das Meeting und die Vorgehensweise. Für das Loslassen-und-Fokus-Meeting bereitet sich jeder Mitarbeiter mit drei Fragen vor:
- Welche Tätigkeiten kosten unnötig viel Zeit und Energie?
- Welche wichtigen Tätigkeiten kommen zu kurz? Wofür haben Sie gar keine oder zu wenig Zeit?
- Welche Veränderungen wollen Sie allein oder gemeinsam mit Ihren Kollegen vornehmen, um zeiteffektiver zu arbeiten?
Dabei haben Sie zwei Ziele:
Erstens: Zeitfresser und weniger Wichtiges identifizieren und gemeinsam festlegen, wie und an welcher Stelle Sie Energie und Zeit einsparen. Schließlich wollen Sie die erfolgsentscheidenden Aufgaben und Projekte bearbeiten lassen. Alles auf einmal geht einfach nicht.
Zweitens: Sie identifizieren gemeinsam mit Ihrem Team, was das Team oder einzelne Mitarbeiter tun können, um sich gegenseitig zu unterstützen und die Kommunikation zu beschleunigen oder zu vereinfachen.
Drei essentielle Fragen vorbereiten
Jeder Mitarbeiter bereitet sich vor, indem er diese drei Fragen schriftlich vorab beantwortet. Im Meeting selbst gilt striktes Zeitmanagement. Eine Person mit starkem Auftritt, die sich auch durchsetzen kann, übernimmt die Rolle des Timekeepers. Auf keinen Fall geben Sie diese Aufgabe dem neuen Praktikanten und/oder machen dies selbst.
Ein Meeting dauert exakt 60 Minuten. Bei fünf Mitarbeitern und einem Chef bekommt jeder 8 Minuten Zeit. Der Rest ist ein Puffer.
Der Chef beginnt den Prozess als Vorbild für die anderen:
In einer Minute – nicht mehr – stellt jeder seine Ergebnisse zu den drei Fragen vor. In den weiteren 7 Minuten haben nun alle Teammitglieder zwei Aufgaben:
- Konkrete Umsetzungs-Tipps für die angedachten Veränderungen aus Frage drei der Vorbereitung geben.
- Anregungen geben, was derjenige, der dran ist, noch verändern könnte.
Am Ende des Meetings benennt jeder noch für 30 Sekunden:
- Bei der Tätigkeit x werde ich zukünftig Zeit einsparen.
- Bei der Tätigkeit y werde ich künftig mehr Zeit investieren.
Idealerweise gibt jeder ein konkretes Commitment ab, was er genau tun wird.
Durch die Diskussion wird jeder Mitarbeiter im Laufe der Zeit in dieser Art und Weise weiter denken und handeln.
Einmal pro Quartal die Weichen stellen
Dieses Meeting führen Sie einmal im Quartal durch. Beim zweiten „Loslassen-und-Fokus-Meeting“ eröffnet jeder mit einem „Sharing of personal best practices“:
- Was hat jeder in den letzten drei Monaten an seiner Zeiteinteilung im Vergleich zu vorher optimiert?
- Was genau war der positive Effekt auf Arbeit, Zufriedenheit, Life-Balance?
Jeder wieder nur für 30 Sekunden, um effizient zu sein.
Zeitmanagement für Anfänger – was soll das denn?
Jetzt könnten Sie sagen, das ist doch das kleine 1×1. Jeder Mitarbeiter und erst recht jede Führungskraft weiß doch, dass Prioritäten setzen das A und O ist. So ein Meeting ist vergeudete Zeit!
Nun, in der Tat gibt es Führungskräfte und auch Mitarbeiter, die top aufgestellt und strukturiert sind. Wenn ich diese einfache Übung mit den drei Fragen aber im Seminar mit Führungskräften mache, hat jeder Teilnehmer in allen drei Punkten Antworten.
Wie kann das sein? Nun, sicherlich hat das etwas damit zu tun, dass – siehe Blog Impuls 184 oder Podcast Episode 1 – Führungskräfte wie Mitarbeiter sich viel zu wenig Zeit nehmen, um ihr tägliches Handeln und die Prioritäten zu hinterfragen. Immer wieder verschwenden Führungskräfte Zeit mit Aufgaben, die in der Priorität viel zu weit hinten liegen.
Eine unserer Hauptherausforderungen als Führungskräfte und als Mitarbeiter ist also nicht, Themen tief zu durchdenken und abzuarbeiten, sondern zunächst festzulegen, welche Ihrer Themen Sie überhaupt bearbeiten wollen.
Jagen Sie wie ein Löwe
Für diejenigen, die Blog Impuls 184 oder Episode 1 meines Podcasts noch nicht gelesen bzw. gehört haben, hier noch einmal eine Metapher für Ihre Fokus-Denke und Ihren Mindset: „Jagen Sie wie ein Löwe“. Ja genau, wie ein Löwe, der… ja, wer jagt denn überhaupt im Löwenrudel? Der Löwe? Nein, der jagt gar nicht selbst. Denn das Jagen hat der Löwe delegiert an die Löwinnen. Die sind leichter und daher schneller als der männliche Löwe. Daher gelingt die Jagd auf Antilopen den Löwinnen deutlich besser. Der Löwe hat andere Aufgaben.
Zu viel Ehrgeiz schadet
Was ist der zweite Grund, warum dieses Meeting so wertvoll ist?
Viele Mitarbeiter wollen einen extrem guten Job machen. Deshalb erledigen sie im Bestreben, es richtig richtig gut zu machen, quasi alle Anfragen, die an sie herangetragen werden, mit hoher Intensität. Dass ein solches Verhalten nicht sinnvoll ist, ist Ihnen und mir sofort klar.
Ein einfaches Beispiel sind Mitarbeiter, die die E-Mails vom Chef sofort lesen – und teilweise auch beantworten. Wie kann das angehen, frage ich mich? Lassen die sich etwa von neu ankommenden E-Mails von einer gerade bearbeitenden Tätigkeit ablenken? Leider ja. Mehr Tipps dazu im Impuls 190 „Energievampir Unterbrechungen“.
Nicht nur in der Phase der Einarbeitung kann ein regelmäßiger Hinweis vom Chef Wunder wirken. Denn viele Mitarbeiter sind sich gar nicht bewusst, worauf der Chef am meisten Wert legt. Geben Sie als Chef also Ihren Mitarbeitern diese Orientierung und ermöglichen so, dass die wichtigen Dinge erledigt werden.
Träume nützen da nix
Auch ich träume ab und an davon, viel mehr zu schaffen. Also, ich würde manchmal gern auf einen Knopf drücken und Zeit kaufen. Ich wäre dann einer der grauen Männer aus Michael Endes „Momo“ – nur in lieb natürlich. Und ich würde so viel mehr schaffen! Heute! Diese Woche! Dieses Jahr! Bescheuert, oder? Früher habe ich manchmal das Gegenteil gedacht: „Einen Tag lang Pförtner sein in dem Konzern, in dem ich 9 Jahre lang als Manager gearbeitet habe. Alle reinlassen, alle rauslassen, dabei freundlich lächeln und 100% Zielerreichung haben. Keine Altlasten!“
Es gibt einfach keine Abkürzungen.
Und solche merkwürdigen Träume werden immer Träume bleiben. Daher steuert ein wirklich guter Mitarbeiter seine Energie. Er sagt täglich zu Aufgaben, zum Lesen mancher E-Mail und Post schon von vornherein konsequent „nein“. So spart er Zeit für das Wesentliche. Dieses Bewusstmachen und Steuern der Prioritäten braucht aber selbst Energie und Zeit.
Mein Ex-Kollege Dennis sagte einmal: „Arbeit ist dazu da, sie liegen zu lassen.“ Ich finde, das ist eine merkwürdige Einstellung zur Arbeit. Ich möchte diese Aussage aber gern weiterentwickeln: Der riesige Haufen Arbeit ist dazu da, um auszuwählen, womit wir den größten Hebel erzielen.
Sie könnten vermutlich locker 16 Stunden jeden Tag arbeiten und es würde nicht langweilig oder sinnlos werden. Doch bei welchen Tätigkeiten haben SIE den größten Hebel für Ihre Ergebnisse? Diese Wahl zu treffen, ist in vielen Fällen leicht. In so manchem Fall aber auch nicht. Denn Sie haben jeden Tag nur 8, 10 oder vielleicht auch mal 12 Stunden zu vergeben. Und Nachtschichten sind auch keine Lösung, da Sie da am nächsten Tag in Ihrer Leistungsfähigkeit deutlich geschwächt sind.
Erfolg durch Fokus-Mindset
Sorgen Sie also dafür, dass nicht nur Sie selbst loslassen und fokussieren. Sorgen Sie auch dafür, dass Ihre Mitarbeiter dies tun. Sorgen Sie dafür, dass der Mindset Ihres gesamten Teams ganz bewusst auf Loslassen und Fokus eingestellt ist. Damit legen Sie die Basis dafür, dass Sie viel Sinnvolles mit Ihrem Team umsetzen und am Ende auf Ihr Ergebnis stolz sein können.
Wie aber delegieren Sie nun ganz konkret an Ihre Mitarbeiter, wenn es notwendig ist? Und wie überwinden Sie die auftretenden Schwierigkeiten beim Delegieren? Das erfahren Sie im kommenden Impuls 187 „Delegieren für Fortgeschrittene“ in der nächsten Woche.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Loslassen und Fokussieren mit Ihrem Team!
Ihr Markus Jotzo
Wenn Sie Unterstützung bei diesem oder anderen Führungsthemen benötigen, dann schreiben Sie mich an unter service@markus-jotzo.com oder rufen mich an: +49 40 60 59 29 56.