Impuls 251. Kaffee mit Kristian … Ein Geschäftsführer gibt Sicherheit in Zeiten der Unsicherheit. Den Change meistern – Teil 12

Haben Sie in den letzten Corona-Wochen auch viele Gespräche mit Freunden geführt über all die Veränderungen und ihre Auswirkungen? Haben Sie über Ihre Gefühle, Unsicherheiten und vielleicht auch Ihre Ängste gesprochen? Ich vermute, das hat fast jeder von uns getan. Wir konnten das einfach nicht allein mit uns selbst ausmachen. Unbewusst waren wir alle auf der Suche nach mehr Sicherheit. All die Veränderungen in der privaten Bewegungsfreiheit, den Reisebeschränkungen, die verschobenen Urlaube und Geburtstagsfeiern brauchten Gespräche, um das zu verarbeiten. Von den Auswirkungen im Geschäftsleben ganz zu schweigen. Die waren drastisch, die haben an einigen Stellen die Kosten erhöht, die Umsätze negativ beeinflusst und manchen Arbeitsplatz unsicher werden oder sogar einfach wegfallen lassen.
Darüber haben Sie gesprochen, sich ausgetauscht und über die Zukunft spekuliert. Und Sie haben hier und dort jemanden gebraucht, der Ihnen Kraft, Mut und Zuversicht zurückgegeben hat. Mir ging es so. Gut, wenn wir da gute Freunde, Partner und Kollegen haben, die für uns da sind und die sich Zeit nehmen, in Gesprächen all diese Themen aufzuarbeiten.
Was glauben Sie, wie geht es Ihren Mitarbeitern, wenn Sie als Führungskraft oder die Geschäftsführung den Mitarbeitern Veränderungen abverlangen? Da entstehen ebenfalls Unsicherheiten, Unklarheiten und Ängste. Ihre Mitarbeiter brauchen von Ihnen dann Informationen und ein Kümmern in persönlichen Gesprächen und Meetings mit genau diesem Thema ‚Unsicherheit und Emotionen im Wandel‘.
Ziele erreichen oder Mitarbeiter betüddeln und Sicherheit geben?
Einer meiner langjährigen Kunden ist inzwischen Geschäftsführer in seinem Unternehmen und trägt nun nicht nur die Verantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg des gesamten Unternehmens, sondern auch – vor allem in den unsicheren Zeiten von Corona und anderen Veränderungen im Markt – die Verantwortung für seine Schar an Mitarbeitern. Diese zweite Verantwortung nehmen manche Führungskräfte explizit wahr, manche sehen sie nur nachrangig. Vielen geht es vor allem um das Geschäft und die Ziele des Unternehmens. Ich bin überzeugt, nur wenn Führungskräfte sich ebenso um jeden einzelnen Mitarbeiter in Ihrem Team sorgen wie um die Zielerreichung, werden Führungskräfte Ihrer Verantwortung gerecht. Denn ein Mitarbeiter spürt, wenn sich das Unternehmen um ihn kümmert und sich um ihn sorgt. Und wer ist das Unternehmen? Sie sind das, die Führungskraft. Sie sind der Repräsentant des Unternehmens. Für manch eine Führungskraft sind Mitarbeiter lediglich ‚Produktionsmittel‘, die einfach bezahlt werden. Ja, ich weiß, Sie gehören nicht dazu. Sie bilden sich weiter. Sie hören meinen Podcast und lesen meinen Blog.
Gretchenfrage: Auf einer Skala von 1-10, wie würden Ihre Mitarbeiter diese Frage beantworten: „Mein Chef kümmert und sorgt sich um mein Wohlbefinden genauso wie um das Wohlbefinden des Unternehmens und die Zielerreichung?“ Ich glaube, dass wenige hier eine 10 erhalten würden und das ist auch nicht das Ziel. Die Frage ist, was ist schon gut aus Sicht Ihrer Mitarbeiter, das können Sie weiterverfolgen oder sogar intensivieren. Und was fehlt in Richtung einer 10, das Sie noch umsetzen könnten, vielleicht sogar umsetzen ‚müssten‘.
Es gilt, wie überall im Leben, der Grundsatz der Reziprozität, der Grundsatz der Gegenseitigkeit. Du gibst mir etwas, ich gebe Dir etwas. So funktionieren Netzwerke, Freundschaften, Liebesbeziehungen und eben auch Arbeitsbeziehungen. Arbeitsbeziehungen zwischen Geschäftspartnern, Arbeitsbeziehungen zwischen Kollegen und eben auch Arbeitsbeziehungen zwischen Mitarbeitern und Führungskräften.
Menschen spüren, wenn Chefs auch persönlich für sie da sind und sich um sie kümmern, wenn die herausfordernden Umstände das erfordern. Ebenso spüren Mitarbeiter, wenn Chefs andere Prioritäten setzen und nur von Meeting zu Meeting hetzen, hier und dort Feuer löschen und sich in Ihrem Büro verbarrikadieren, um der E-Mail-Flut Herr zu werden. Ja, ich weiß, die Zeit ist knapp. Aber Prioritäten sind nun mal Prioritäten. Wenn Sie Ihre Prioritäten nicht schaffen, lesen Sie gern noch einmal in den Blog-Impuls 184 oder hören Episode 1 meines Podcasts `Konsequent Prioritäten setzen‘.
Wenn Mitarbeiter merken, dass die Führung sich um sie sorgt, dann wird ein Mitarbeiter sich auch im Gegenzug entsprechend um das Unternehmen sorgen und sich engagiert reinknien. Gibt‘s da Ausnahmen? Gibt‘s Menschen, die trotzdem nicht anfangen, sich reinzuknien? Ja, die gibt es. Dann braucht es Ihre Führung. Tipps dazu erhalten Sie im Blog Impuls 222 und 223 zum Thema Kritikgespräche und zur dreisten Drecksau. Und ja, es gibt auch Mitarbeiter, die sich pflichtbewusst, verantwortungsvoll engagieren, auch ohne Ihre explizite Führung. Doch diese Spezies an Mitarbeitern wird seltener, je mehr Veränderungen umgesetzt werden sollen, je mehr neue Prozesse, neue Ziele und neue Herangehensweisen zu größerer Unsicherheit führen.
Change per E-Mail verkünden spart Zeit, oder?
Ein Unternehmen im Frankfurter Raum wollte vor kurzem aufgrund der Corona-Umwälzungen einigen Mitarbeitern die Gehälter temporär um 20% kürzen und die Mitarbeiter aus betrieblichen Gründen nur vereinzelt ins Homeoffice gehen lassen. Die anderen sollten jeden Tag weiter im Büro arbeiten – mit Abstand natürlich. Einige Mitarbeiter erfuhren das von Ihrem Vorgesetzten persönlich, andere erfuhren dies per E-Mail. Die Führungskräfte merkten schnell, dass die Verkündung der Pläne per E-Mail ein Fehler war, ließen sich von mir beraten und steuerten nach. Veränderungen lassen sich einfach nicht allein per E-Mail oder PowerPoint kommunizieren. Mitarbeiter brauchen eine Führungskraft, mit der sie über die anstehenden Veränderungen sprechen können. Mitarbeiter brauchen jemanden, der Ihnen zuhört, der ihre Sorgen und Nöte ernst nimmt und Unterstützung anbietet. Gleichzeitig haben Mitarbeiter die Verpflichtung, die eine oder andere Kröte zu schlucken, wenn betriebliche Rahmenbedingungen ein neues Handeln erforderlich machen. Diese Kröten können Mitarbeiter gerade dann gut schlucken, wenn ihnen ihre Führungskraft zur Seite steht, klare Gründe nennt und ihnen gut zuhört, bis es die Mitarbeiter wirklich verstanden und akzeptiert haben. Die intensive Kommunikation zwischen Führung und Mitarbeitern ist das A und O in unsicheren Zeiten.
Kaffee mit Kristian
Mein am Beginn erwähnter Kunde nimmt als Geschäftsführer die Verantwortung für die Menschen in seinem Unternehmen sehr ernst. Das hat er schon immer gemacht. Sein Interesse zeigt er, indem er zum Beispiel nach Privatem fragt und sich das dann auch merkt. Wo ein Wille ist, ist ein Weg. Trotz Meetings, vieler E-Mails und vieler Flüge von A nach B. Einmal pro Woche findet seit fast drei Monaten in diesem Unternehmen ein neues Meeting statt. Es dauert eine Stunde und heißt ‚Kaffee mit Kristian‘. Bis zu fünf Mitarbeiter können an dieser Video-Konferenz teilnehmen. Jeder, der möchte, ist dabei. In der ersten Woche reichte eine Video-Konferenz nicht aus, so groß war die Nachfrage nach einem Austausch mit dem Geschäftsführer. Also fanden mehrere ‚Kaffee mit Kristian‘ Meetings statt. Und wenn die Mitarbeiter nicht die gleiche Sprache sprechen wie Kristian? Nun, dann unterstützt eben ein Dolmetscher den Austausch. Wo ein Wille ist, ist ein Weg.
Als mein Geschäftsleiterkunde mir davon erzählte, war ich sofort begeistert. Viele Führungskräfte fühlen sich einfach getrieben von der Flut an Aufgaben, den Prioritäten und engen Timelines. Ich glaube zwar auch, dass Mitarbeiter grundsätzlich motiviert sind. Gleichzeitig braucht es eine Führung, die Rahmenbedingungen erschafft, in denen die Mitarbeiter sich dann auch emotional sicher fühlen und sich mit voller Kraft und viel Herzblut einbringen können. Diese Sicherheit erschaffen Führungskräfte, die sich nicht nur das Wohl des Unternehmens, sondern ebenso das Wohl der Mitarbeiter auf die Fahne geschrieben haben. Simon Sinek beschreibt das hervorragend in seinem Buch „Leaders eat last“, auch auf Deutsch erschienen: „Gute Chefs essen zuletzt“.
Als ich von den ‚Kaffee mit Kristian‘ Meetings erfuhr, war meine erste Frage, ob da auch offen gesprochen wird oder ob da nur geplauscht und getratscht wird. Das erste ist der Fall! Die Mitarbeiter stellen ihre ernsten, ihre echten und ihre ehrlichen Sorgen-Fragen. Warum sind die Mitarbeiter so offen mit ihrem Geschäftsführer und fragen alles von Arbeitsplatzsicherheit über Lohnsicherheit und Dauer der Kurzarbeit. Erstens, weil es sie emotional intensivst beschäftigt und diese Sorgen brauchen dringend Antworten. Zweitens, und das ist das entscheidende für diese offene Kommunikation, schafft es dieser Geschäftsführer eine Atmosphäre zu erschaffen, die Offenheit bewirkt. Er schafft es, durch Offenheit und Transparenz über seine Menschlichkeit und seine eigenen persönlichen Unsicherheiten, seine Mitarbeiter ebenso offen sprechen zu lassen.
Sie sind dran: Sicherheit oder Unsicherheit fördern
Was tun Sie, um einen intensiven Austausch mit Ihren Mitarbeitern zu pflegen? Was tun Sie, um Ihre Mitarbeiter spüren zu lassen, dass es Ihnen nicht egal ist, wie es diesen geht und wie sie mit den Veränderungen zurechtkommen?
Eine Führungskraft eines meiner Kunden schickte kürzlich eine Packung Müsli und eine Dankeskarte ins Homeoffice all ihrer Mitarbeiter. Ich glaube, wenn diese Dankeskarte handschriftlich vom Chef stammt, dann kann das ein schönes Signal sein. Klar, das ersetzt nicht den persönlichen Austausch, aber es ist ein positives Signal. Sollte diese Müslipackung allerdings das einzige Signal des Kümmerns des Chefs sein, dann wäre das aus meiner Sicht wirkungslos und vielleicht sogar kontraproduktiv.
Der persönliche Zeiteinsatz zählt und gibt Sicherheit
Was schätzen Sie mehr? Einen Freund, der Ihnen beim Umzug ein paar Stunden hilft oder einen Freund der Ihnen 20 Umzugskartons schenkt, da er selbst gerade umgezogen ist? Was schätzen Sie mehr: Einen Freund, der Ihnen einen Kuchen zum Geburtstag backt oder einen der ein paar Stückchen Kuchen in der Bäckerei kauft? Es ist unsere persönliche Zeit, unser spürbares persönliches Engagement, was zählt und was in besonderer Art und Weise von unseren Mitarbeitern positiv wahrgenommen wird.
Was tun Sie, um der Herausforderung gerecht zu werden, Ihren Mitarbeitern eine gewisse Sicherheit zu geben in diesen Zeiten, in denen nichts mehr sicher ist?
In meinem Blog und Podcast behandele ich dieses Thema immer wieder. Unter dem Titel ‚Digital Leadership‘ finden Sie etliche Beiträge dazu, insbesondere empfehle ich meine Blogbeiträge 217 und 219 oder für die Hörerinnen unter Ihnen meine Podcast Episoden 32 und 34.
Wem das nicht reicht, dem empfehle ich mein neues Buch „Uns kann keiner was, wie Sie Ihrem Team Sicherheit geben, wenn nichts mehr sicher ist.“ Alle meine Bücher sind vollgestopft mit Praxistipps, und dieses Buch hat sogar eine noch höhere Konzentration von Umsetzungstipps – über 55 Hacks auf 100 Seiten. Es kostet 13,90 € und ist online oder im Handel verfügbar.
Ich wünsche Ihnen beste Führung in unsicheren Zeiten.
Ihr Markus Jotzo
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