Vor nicht allzu langer Zeit trug sich folgende Geschichte zu: Ein Unternehmen im Einzelhandel möchte etwas verändern, moderner und attraktiver werden für die jungen Bewerber des immer enger werdenden Arbeitsmarktes.
Der Coach sitzt in einem der ersten Zusammentreffen mit 50 Führungskräften in einem Raum. Dann stellt er die Frage: „Wer von Ihnen hat denn schon einmal einen Fehler gemacht?“ Niemand meldet sich – auch auf Nachfrage nicht.
Auch ich höre es immer wieder in meinen Führungskräfteseminaren: Bei Kritikgesprächen weichen Chefs wie Mitarbeiter der Konfrontation mit eigenen Fehlern immer wieder aus. Das ist zum einen sicher typbedingt. Je nach Umfeld, Vorbildern in der eigenen Jugend und Erziehung sind Menschen bereit, offen über eigene Fehler zu sprechen oder nicht. Spaß macht das sicher niemals, aber manch einer hat verstanden, dass es uns nur stärker macht, wenn wir Verantwortung übernehmen und aus eigenen Fehlern lernen.
Auf der anderen Seite sind es die Führungskräfte, die die Kultur in ihren Teams gestalten. Wenn ihre Mitarbeiter ungern eigene Fehler eingestehen oder sogar versuchen, diese zu vertuschen oder abzustreiten, dann weil die Führungskraft noch keine konstruktive Fehlerkultur erschaffen hat, in der es normal ist, über Fehler zu sprechen.
Wenn Sie die Digitalisierung des 21. Jahrhunderts überleben möchten, dann werden Sie Dinge verändern müssen. Dazu benötigen Sie Offenheit für Trial and Error, Ausprobieren und Fehler machen. Wenn Sie nur alles nur unter vollkommener Sicherheit tun möchten, dann werden Ihnen die notwendigen Anpassungen nicht gelingen. Bei Anpassungen müssen Fehler passieren. Fehler sichern also Ihr Überleben.
Was können Sie konkret tun, um die Fehlerkultur in Ihrem Team, Ihrer Abteilung oder in Ihrem Unternehmen zu stärken?
Wann haben Sie sich das letzte Mal vor Ihr Team gestellt und offen über einen Fehler gesprochen? Jetzt sagen Sie nicht, Sie machen keine Fehler! Ich mache ständig welche. Ich arbeite viel und gern und da gehören Fehler dazu – erst recht, wenn Sie regelmäßig Neues ausprobieren. Und manchmal ärgere ich mich auch heftigst über meine Fehler. Stück für Stück wird mir gleichzeitig immer bewusster, wie meine Fehler mich besser machen.
Zurück zu Ihren Fehlern: Sie sind derjenige, der das Denken und Handeln Ihrer Mitarbeiter beeinflusst. Also sprechen Sie offen über Ihre Fehler. Oft wissen Ihre Mitarbeiter übrigens schon, dass Sie den Bock selbst geschossen haben.
Machen Sie doch mal eine anonyme Befragung unter Ihren Mitarbeitern. Die machen Sie ganz einfach: Sie hängen ein Flipchart in der Kaffeeküche oder der Kantine auf. Oben auf dem Flipchart steht die Aussage:
„Wir sind bereit, offen über unsere Fehler zu sprechen und lernen aus diesen Fehlern!“
Dann zeichnen Sie auf das Flipchart eine Skala von 1-10. 10 heißt Sie haben eine wertschätzende, offene Fehlerkultur, 1 heißt Fehler werden so gut wie möglich vertuscht und versteckt und wenn dann doch ein Fehler auffliegt, gibt es ein Donnerwetter vom Chef.
Geben Sie Ihren Mitarbeitern 10 Tage Zeit – bitte nicht in der Urlaubszeit –, um das persönliche Kreuz an die richtige Stelle zu setzen. Dabei ist es natürlich essentiell, Ihren Mitarbeitern beim Setzen des Kreuzes nicht über die Schulter zu schauen.
Erarbeiten Sie im Nachgang mit Ihren Mitarbeitern, welche Stärken Sie haben und was genau im Argen liegt. Binden Sie Ihre Mitarbeiter ein, wenn es darum geht, Lösungen für Ihre Situation zu erarbeiten.
Sicher haben Sie davon schon gehört: Die Unternehmensleitung kündigt eine Neuerungen an, aber diese Neuerung existiert nur auf dem Papier. Keiner hält sich daran.
Nur wenn Sie das, was sie ankündigen, auch konsequent leben, werden Sie Fortschritte bei der Veränderung Ihrer Fehlerkultur erzielen. Wenn Sie also zukünftig einmal pro Monat im Teammeeting über 2-3 Fehler der letzten vier Wochen offen sprechen; wenn Sie wertschätzend darüber sprechen, welche Maßnahmen die Beteiligten ergriffen haben, um solche Fehler zukünftig zu vermeiden, und wenn dabei niemand sein Gesicht aufgrund des Fehlers verliert, dann haben Sie beste Chancen. Wenn Sie diese Fehler regelmäßig thematisieren, werden Sie im Laufe der Zeit eine bessere Fehlerkultur ernten und die Teammotivation wird steigen.
Es liegt an Ihnen, liebe Führungskraft. Haben Sie den Mut hinzusehen. Wie gut ist es um Ihre Fehlerkultur bestellt? Sind Sie bereit, Veränderungen gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern anzupacken und so Ihre Anpassung an Marktbedingungen und die Zukunft sicherzustellen?
Dann legen Sie los und sprechen gleich heute oder spätestens morgen mit Ihren Mitarbeitern offen über einen Ihrer letzten Fehler und was Sie daraus gelernt haben.
Viel Erfolg!
Ihr Markus Jotzo