Side view of casual bearded man holding red telephone receiver and yelling in anger.
Kennen Sie das?
Ein Mitarbeiter oder Kollege benutzt… na, sagen wir mal… relativ viele Worte, um einen Sachverhalt zu erläutern. Es sind deutlich (!) mehr Worte als Sie sich wünschen.
Sie denken: „Mann, was der wieder labert…“ und „… wie lange das hier wohl noch dauert?“
Und dann dauert das Gespräch und dauert und dauert. Ihre Zuhör-Intensität sinkt in den Keller, bis das Gespräch irgendwie dann doch zu Ende geht und Sie erlöst sind.
Immer wieder gibt es Situationen, in denen wir durch unser schlechtes Zuhören schlechte Gesprächsergebnisse erzielen.
„Wie jetzt?“, fragen Sie sich jetzt vielleicht. „Mein Zuhören ist verantwortlich dafür, dass der mich volllabert?“
Genau das sage ich. Sie sind zu 100% dafür verantwortlich, was Ihnen widerfährt. Auch für diese Situation.
Wenn Sie nicht die Verantwortung übernehmen, dann können Sie ja nicht andere Ergebnisse erzielen, oder? Dann wäre es ja reiner Zufall, welche Dinge Ihnen passieren.
Lassen Sie mich dies Schritt für Schritt erläutern.
Ihr Gesprächspartner möchte gern – wie Sie und ich auch – gehört und wahrgenommen werden.
Nach Steven Covey gibt es 5 Zuhör-Ebenen.
Die erste ist „Ignorieren“. Worte fallen, die die anderen nicht hören und auch nicht beachten.
Die zweite Ebene ist „Vortäuschen“. Ein dumpfes „ähe…“ und „ok…“ tönt etwa 0,75 Sekunden später als normal aus dem Munde des Zuhörers, der gedanklich gerade ganz wo anders ist, z.B. wenn jemand beim Telefonieren nebenbei E-Mails liest.
Die dritte Ebene ist „selektives Zuhören“. Manche Dinge, auf die Sie besonders anspringen, nehmen Sie sehr klar und deutlich wahr. Andere überhören Sie einfach, weil diese beispielsweise nicht zu Ihrer Perspektive passen.
Ebene vier ist „aufmerksames Zuhören“. Sie hören genau hin und Ihnen entgeht kein Wort von dem, was der andere sagt.
Ebene fünf ist das „einfühlsame Zuhören“. Sie hören nicht nur jedes Wort Ihres Gesprächspartners. Sie hören auch, was zwischen den Zeilen mitklingt, wie Gefühle, Sorgen oder Erwartungen.
In meinen Seminaren frage ich immer wieder: „Wie gut hören Sie denn im Durchschnitt zu in Ihren Eins-zu-eins-Gesprächen?
Ich wiederhole noch einmal die fünf Ebenen:
Der Durchschnitt liegt immer zwischen… na, können Sie’s sich denken? Genau. Im Durchschnitt zwischen selektiven und aufmerksamen Zuhören. Das heißt, bei fast jedem von uns finden über die Zeit alle fünf Ebenen statt. In Eins-zu-eins-Gesprächen. Ich spreche hier nicht von langweiligen, irrelevanten Meetings, durch die Sie sich immer wieder quälen. Wenn Sie Meeting-Zeit sparen möchten, dann lesen Sie gern den Blog Impuls 195 oder hören Sie Podcast Episode 10 „20-30% Meeting-Zeit einsparen“.
Frage an Sie:
Wie gut möchten Sie denn, dass andere Ihnen in Ihren Eins-zu-eins-Gesprächen zuhören? Hier wünscht sich jede der Führungskräfte in meinen Seminaren „mindestens aufmerksames Zuhören“.
Wenn Sie sich aber von anderen mindestens aufmerksames Zuhören wünschen, dann ist es doch nur konsequent, das auch selbst zu tun, oder?
Warum denken Sie dann, z.B. im Gespräch, in dem Sie zugetextet werden „Mann, was labert der heute wieder?“ und hören allenfalls nur selektiv zu?
Als ich noch eine junge Führungskraft bei Unilever war, hatte ich einen eloquenten Kollegen, nennen wir ihn mal Herrn K. aus dem Controlling. Wenn ich mit einer einfachen Frage zu Herrn K. ging, dauerte es mindestens 20 Minuten, bis Herr K. begann sich mit dem eigentlichen Thema zu beschäftigen. Vorher sprachen wir über Tischtennis, den Betriebsrat und Gott und die Welt. Es gelang mir damals nicht, meinen Kollegen schnell zum Thema zu bringen.
Ich selbst war der genervte Mensch vom Beginn dieses Blog-Artikels.
Wie geht es besser?
Treffen Sie eine Entscheidung: Wenn Sie merken, dass das Gesprächsthema Sie nicht interessiert, dann entscheiden Sie, ob Sie sich das trotzdem aufmerksam anhören möchten oder nicht? Falls ja, hören sie „aufmerksam“ oder noch besser „einfühlsam“ zu.
Warum ist das wichtig?
Erstens:
Wenn Sie aufmerksam oder einfühlsam zuhören, werden das tendenziell auch Ihre Gesprächspartner tun. Sie leben das vor, was Sie von anderen erwarten.
Zweitens:
Wenn Sie nur „vortäuschen“ oder „selektiv“ zuhören, dann senden Sie bewusst oder unbewusst „Nicht-Zuhör-Signale“. Diese Signale empfängt Ihr Gesprächspartner, hört deswegen aber nicht auf zu sprechen. Stattdessen wird er noch ausführlicher erläutern, da er gern verstanden werden will. Das Gespräch dauert in der Folge noch länger.
Wenn Sie nicht mehr zuhören möchten, dann beenden Sie das Gespräch. Oder unterbrechen den Redefluss und führen das Gespräch zurück auf das ursprüngliche Thema.
Wer hat sich nur ausgedacht, dass Unterbrechen unfreundlich sei. Natürlich gibt es unfreundliche und wertschätzende Kommunikation. Auch unterbrechen können Sie auf unfreundliche oder wertschätzende Art. So wie Sie jede Botschaft auch unfreundlich rüberbringen können.
Sagen Sie doch einfach „Sorry, dass ich unterbreche, ich habe gleich noch einen wichtigen Termin, können wir direkt zum Punkt kommen?“ – das können Sie immer sagen – und wenn es ein Termin mit sich selbst ist. Oder
„Können wir das mit dem Tischtennis-Turnier ein anderes Mal besprechen und nun direkt zum Thema kommen?“
Sagen Sie das aber nur, wenn Sie wirklich ein anderes Mal darauf zurückkommen möchten, sonst beruft sich Ihr Kollege beim nächsten Mal darauf!
Unterbrechen Sie aber aus einer zuhörenden Haltung heraus – das (!) ist wertschätzend. Und außerdem haben Sie ja schon gesagt, dass Sie sich wünschen, dass die anderen Ihnen immer wenigsten aufmerksam zuhören sollen.
Nicht wertschätzend hingegen ist es, zu denken: „Was für eine nervende Laberbacke!“ Wünschen Sie sich, dass Ihre Zuhörer ihr Zuhören nur vortäuschen oder nur selektiv zuhören und dann weiter denken „Wie nervig ist der denn schon wieder.“?
Unterbrechen ist wertschätzend und im Falle Ihres Unwillens zuzuhören der einzig richtige Weg.
Soweit der erste Teil dieses Impulses. Den zweiten Teil lesen Sie in der kommenden Woche.
Ich wünsche Ihnen aufmerksame und einfühlsame Zuhörer!
Ihr Markus Jotzo