Impuls 185. Jeder bestimmt seine Wochenarbeitszeit selbst!
Ehrgeiz, Karriere und… Überstunden
Die folgende Geschichte wird einigen von Ihnen bekannt vorkommen.
Ein Manager, nennen wir ihn Karl, arbeitet gut und gern…
Er ist karriereorientiert und hat sich nach dem Studium durch gute Noten und einem sehr guten Assessment-Center in einem sehr renommierten Unternehmen einen guten Einstieg gesichert. Darauf ist Karl zu Recht stolz, denn dafür hat er hart gearbeitet. Nun will er natürlich weiterhin zeigen, was in ihm steckt. Karl hat schon die zweite Führungsposition inne und führt acht Jahre nach seinem Studium sieben Mitarbeiter.
Karls Position ist anspruchsvoll und wieder weiß Karl, wie er am besten zeigt, dass er für diese Position bestens geeignet ist. Er arbeitet viel und hart und natürlich fallen da auch regelmäßig Überstunden an.
Aber das gehört ja dazu. Schließlich will er ja nicht nur einfach Führungskraft sein, sondern er will eine von den guten sein. Ob er weiter aufsteigen will, weiß Karl noch nicht so genau, aber das ist für Karl nicht das Entscheidende. Entscheidend ist, dass seine Mitarbeiter und Chefs wissen: „Auf Karl ist Verlass, der macht das richtig gut mit seinem Team. Der bringt Ergebnisse!“
Doch manchmal fragt sich Karl, wie er neben der Arbeit und den regelmäßigen Überstunden mehr Zeit für sich haben kann.
Beruflicher Erfolg ist ihm wichtig, und er genießt die Vorteile eines überdurchschnittlichen Gehalts. Nun ist Karl schon über ein Jahr Papa, doch er kommt von seinen Überstunden einfach nicht runter.
Karls Einkommen ist natürlich wichtig für die junge Familie. Von seinem Gehalt leben nun drei Menschen. Sein Arbeitsplatz ist sicher. Die Firma strukturiert zwar um, doch sein Chef hat ihm anvertraut, dass er sogar im Gespräch für eine noch wichtigere Position sei.
Das motiviert Karl, denn diesem einflussreichen Chef verdankt Karl auch seine heutige Stellung.
Es schlagen… ach… zwei Herzen in meiner Brust.
Doch zu Hause beschwert sich seine Frau und wünscht sich mehr Zeit und mehr Energie von Karl. Karl ist hin- und hergerissen.
Er entscheidet sich Mal um Mal für die Überstunden. Und obwohl er es oft zum Abendessen mit der Familie oder zum ins Bett bringen seiner Tochter schafft, ist er doch geschafft von der Arbeit, fühlt sich oft schlapp und schläft früh ein.
Denn damit er abends um 19 Uhr zu Hause ist, fängt er morgens schon um 7 Uhr an, zu arbeiten, und schafft auf diese Weise im Büro richtig viel weg.
Als seine Tochter 4 wird und die Geburt seines Sohnes kurz bevorsteht, wird ihm immer klarer, dass er etwas ändern möchte. Doch die Arbeit zerrt an ihm und so ändert sich seine Zeit- und Energie-Investition für die Arbeit leider in die verkehrte Richtung. Mehr Dienstreisen im neuen Job verhindern zusätzlich gemeinsame Abende mit seiner wachsenden Familie.
Karl ist mittlerweile klar, dass er etwas ändern muss, aber er weiß nicht wie.
Eine Lösung für die Zwickmühle!
So geht es vielen Führungskräften und vielen Mitarbeitern. Wie sieht die Lösung aus?
Die Lösung für Karl liegt nicht in der Arbeit selbst oder seiner Position, die einfach zu umfangreich ist.
Die Lösung liegt bei Karl!
Der Startpunkt ist immer die eigene Einstellung zur Arbeit.
Zugegeben, es ist früher wie heute einfacher in der Firma aufzusteigen, wenn Sie nicht 40, sondern eher 50 oder 60 Stunden pro Woche arbeiten. Ich finde das auch gar nicht schlimm. Wer gern arbeitet, wer gern im System Unternehmen Karriere machen möchte, der kann gut und gern 50 Stunden und mehr pro Woche arbeiten.
Und das ist nicht ironisch, sondern ernst gemeint. Jeder Mensch setzt seine eigenen Prioritäten. Jeder sollte sich selbst nur klar darüber sein, dass alles eine Konsequenz hat.
Wollen Sie das wirklich? Oder gefällt Ihnen nur die Idee?
Gefällt Ihnen die Idee, zukünftig nur noch 40 Stunden pro Woche zu arbeiten? Ich glaube, diese Idee gefällt den meisten Führungskräften, die mehr oder deutlich mehr arbeiten. Aber sehr viele tun das nicht! Sie sind nicht bereit, den Preis dafür zu zahlen.
Ein Beispiel:
Bestimmt gibt es einige von Ihnen, denen die Idee gefällt, einen Waschbrettbauch zu haben. ZU HABEN. Doch für DAS HABEN gilt es, einiges zu TUN. Vor allem: Die Ernährung umstellen und ein intensives Fitnessprogramm regelmäßig umsetzen. Diese Idee gefällt aber nur ganz wenigen Exemplaren unserer Spezies. Und so sitzen in den Meetingräumen zwar so einige Waschbrettbäuche. Die meisten tragen aber zur Tarnung ein mehr oder weniger dickes Pölsterchen als Schutzmantel.
100% Verantwortung. In jeder Situation.
Wer ist also verantwortlich für Ihren Bauchumfang? Zu 100% Sie selbst.
Und wer ist verantwortlich für jede einzelne Überstunde, die Sie machen? Genau. Zu 100% Sie selbst.
Wer ist verantwortlich für die Ergebnisse, die Sie mit Ihrer täglichen Arbeit erzielen? Zu 100% Sie selbst.
Jetzt höre ich einige sagen: „Ja, aber mit 40 Stunden pro Woche schaffe ich nicht die Ergebnisse, die ich anstrebe.“ Nun, das mag so sein. Eine so großartige Stadt wie Rom wurde nicht an einem Tag erbaut.
Aber ich habe ja auch nicht behauptet, dass Sie ein erfolgreicher Vorstand eines Dax-Konzerns sein können, indem Sie von 9-17 Uhr arbeiten.
Meine Aussage ist, dass allein Sie verantwortlich sind für jede Überstunde, die Sie machen. Sie können einfach „ja“ sagen zum Feierabend und „nein“ zu den weiteren E-Mails.
Wird das eine Konsequenz haben? Ja, natürlich!
Mit dem Strom schwimmen ist einfach…
Ich bin davon überzeugt, vielen Menschen gefällt die Idee, um 18 Uhr zu Hause beim Abendbrot mit der Familie zu sitzen oder beim Sport mit Freunden zu sein. Sie tun das aber nicht.
Weil ihnen der Preis zu hoch ist.
Die Diskussionen mit dem Chef und Kollegen, die Blicke der Mitarbeiter, die ja auch bis 19 oder 20 Uhr im Büro sitzen, und das Gerede über ihre Feierabendkultur wollen sie nicht haben. Und so trotten viele weiter mit dem Rest der Herde und fallen nicht negativ auf.
Viele Führungskräfte wie Mitarbeiter sind nicht selbstbestimmt. Sie leben nicht so wie Sie es sich „eigentlich wünschen“.
Achtung Denkfehler! Jeder Mensch lebt jeden Tag selbstbestimmt.
Nein halt, genau hier ist der Denkfehler!
Alles, was Sie täglich tun, tun Sie, weil Sie es selbst bestimmen.
Sie haben sich für Ihre heutige Tätigkeit entschieden. Sie entscheiden jeden Tag wieder, dieser Arbeit nachzugehen. Und Sie entscheiden sich abends, wieder nach Hause zu gehen, obwohl Sie noch locker etliche Stunden weiterarbeiten könnten, ohne neue E-Mails oder neue Anfragen von Kollegen, Kunden, Mitarbeitern oder Chefs zu erhalten.
Trotzdem entscheiden Sie sich, zu gehen.
Selbstbestimmt.
Zu einer Uhrzeit, die Sie jeden Tag festlegen.
Vielleicht ist diese Uhrzeit, die allgemein übliche, kollegentechnisch akzeptierte Feierabenduhrzeit. Vielleicht ist es auch Ihre Gewohnheit. Aber Sie bestimmen diese Uhrzeit.
Niemand hat Sie mit der Pistole auf der Brust gezwungen, so lange im Büro zu bleiben. Niemand hat schon den einen oder anderen Mitarbeiter erschossen, der früher nach Hause gehen wollte.
Manchmal fühlen sich die Blicke Ihrer Kollegen, Ihrer Mitarbeiter und Ihrer Chefs vielleicht an wie diese Pistole auf Ihrer Brust. Manchmal ist es aber auch einfach die Fantasie, die ganz normale Blicke zu vorwurfsvollen Blicken werden lässt.
Ich bin sicher, wenn Sie das eine und andere Mal die Firma ein bis zwei Stunden eher verlassen als Sie das gewöhnlich tun, dann werden viele einfach neidisch sein. Oder die anderen werden sich fragen „Wie macht die das nur?“ Ein weiterer Gedanke ist dann vielleicht „Ich wünschte, ich könnte das auch!“ oder „Das traue ich mich nicht.“
Wo Sie Ihre Grenze ziehen, entscheiden Sie allein.
Wo ein Wille ist, ist ein Weg.
Ich hatte einmal eine Teilnehmerin im Seminar, Susanne, die beschloss von einem Tag auf den anderen, nur noch 40 Stunden zu arbeiten. Ihre Chefin fand das gar nicht toll. Doch sie konnte nichts dagegen tun, da Susanne fest entschlossen war.
Ein Jahr später machte Susanne einen Schritt „nach oben“. Sie wurde Leiterin der Abteilung Aus- und Weiterbildung. Karriereknick aufgrund der geregelten Arbeitszeit? Mitnichten! Die Zielorientierung und Ihre Umsetzungsenergie verhalf Susanne, auch in 40 Stunden einen sehr guten Job zu machen. Musste sie sich dafür auf die wesentlichen Themen in ihrem Job fokussieren? Absolut! Nur so konnte Susanne erfolgreich sein.
Wer von Ihnen für das Thema „Fokus auf das Wesentliche“ eine Auffrischung benötigt, liest oder hört gern noch einmal den Blog Impuls 184 oder die Podcast Episode 1 „Loslassen und Fokussieren“.
Neue Gewohnheiten benötigen Zeit.
Wenn Sie jetzt denken: „Für einen „normalen Mitarbeiter“ ginge das ja noch mit der Reduktion der Arbeitszeit, aber eine Führungskraft…“, hier ein weiteres Beispiel:
Ich coachte einmal einen Bereichsleiter, der an den Vorstand berichtete. Dieser Bereichsleiter schaffte es, einmal die Woche um 16 Uhr seinen Sohn aus der Schule abzuholen und mehrmals die Woche um 18 Uhr zum Abendessen zu Hause zu sein. Gleichzeitig erhielt er das Feedback seines Vorstands, dass dieser sehr zufrieden mit ihm war.
War das einfach für ihn? Nein, überhaupt nicht. Das Schwierigste dabei ist aber nicht die Organisation der Arbeit mit mehr Delegation und konkretem Priorisieren auf später. Das Schwierigste dabei ist der erste Schritt. Das Schwierige ist, die Einstellung zur Arbeitszeit zu verändern und neue Gewohnheiten Schritt für Schritt zu etablieren.
Niemals wieder Opfer sein.
Fakt ist:
Sie sind für alles verantwortlich, was Sie heute tun und was Ihnen heute widerfährt.
Ich liebe diesen Gedanken, denn das heißt, Sie können alles gestalten. Können Sie alles gleichzeitig haben? Nun das geht mit 100%iger Sicherheit nicht: Sie können eine wahnsinnige Karriere machen und eine einflussreiche Frau oder einflussreicher Mann Ihrer Stadt oder Ihres Landes sein. Können Sie aber auch gleichzeitig eine Mutter- oder Vaterrolle leben, in der Sie jederzeit präsent sind, und alle wichtigen Momente im Leben Ihrer Kinder mitbekommen? Vermutlich nicht.
Was Sie tun können, ist eine Entscheidung zu treffen, welche Prioritäten Sie in Ihrem Leben setzen wollen. Und übrigens: Diese Entscheidung haben Sie in den letzten Jahren bereits getroffen – manchmal ganz bewusst, manchmal auch unbewusst.
Wie wäre es denn damit, diese Entscheidung ab sofort nur noch bewusst zu treffen?
Ihre konkrete Umsetzung:
Ich lade Sie zu einer Augen öffnenden Übung ein: Nehmen Sie sich ein Blatt Papier und schreiben Sie auf:
- Arbeit
- Familie/Kinder
- Freunde
- Fitness/Gesundheit/Ernährung
- Hobbies/persönliche Leidenschaften
- Zeit für mich selbst
Tun Sie nun drei Dinge:
Erstens:
Geben Sie sich selbst für jeden dieser sechs Bereiche eine Zahl auf der Skala von 1-10 – je nach Ihrer Zufriedenheit. 10 ist am besten.
Zweitens:
Schreiben Sie hinter jeden Bereich, was Ihnen an Ihrer Zeiteinteilung gut gefällt.
Drittens:
Schreiben Sie hinter jeden Bereich, was Ihnen an Ihrer Zeiteinteilung nicht gut gefällt.
Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dieser Analyse?
Je nach Leidensdruck machen Sie diese 5-10 Minuten Reflexion einmal im Monat, einmal im Quartal oder einmal im Jahr.
Wie viele von Ihnen werden wohl auf dem Sterbebett sagen: „Ach, hätte ich doch nur mehr Zeit mit Meetings, Facebook-Posts und meinen geliebten E-Mails verbracht.“?
Und falls Ihnen das Sterbebett zu weit weg ist, dann tauschen Sie den „Zeitpunkt Sterbebett“ mit dem „Zeitpunkt, an dem Ihr Kind aus Ihrem Haus auszieht“.
Was wollen Sie lieber sein? Stets für Ihre Firma da? Oder stets für Ihren Sohn, Ihre Tochter oder Ihre persönlichen Leidenschaften?
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein erfülltes und bewusstes Führungsleben. Sie sind in jeder Minute Ihres Lebens Führungskraft – zu Hause und im Job.
Wie wollen Sie diese Zeit gestalten?
Viel Erfolg!
Ihr Markus Jotzo
Wenn Sie Unterstützung bei diesem oder anderen Führungsthemen benötigen, dann schreiben Sie mich an unter service@markus-jotzo.com oder rufen mich an: +49 40 60 59 29 56.