Was macht ein Deutschland-Reisender nach vier Wochen Daueraufregung, vielen Tagen Ungewissheit übers Nachtquartier, 23 besuchten Städten und 1200 zurückgelegten Kilometern?
Ganz klar: Erstmal zwei Wochen Pause. Schwimmbad mit den Kindern, im Garten werkeln, ein Buch lesen. Das habe ich nach der #niezuvorgemacht-Deutschland-Reise echt gebraucht und die Ruhe genossen. Und natürlich habe ich mit meiner Frau und mit Freunden auch ganz viel über diese intensive Zeit geredet und sie reflektiert.
Das Ergebnis war spannend und ganz anders als ich es mir vorgestellt habe …
Spannend insofern, dass vieles unerwartet war. Als ich Mitte Juli ausgezogen bin, war ich zugegebenermaßen auf einem kleinen Egotrip unterwegs. In der Mitte des Plans stand ich. Ich wollte mich überfordern. Mir das Leben schwer machen. Mich ganz bewusst immer wieder ins Scheitern und intensives Lernen führen.
Geklappt hat das nicht jeden Tag, aber immer wieder. Es lief nicht immer alles wie geschmiert, das war zu erwarten. Von der Hälfte der Menschen, die ich angesprochen habe, habe ich ein klares und manchmal auch genervtes Nein kassiert. Das kostete ganz schön Überwindung, trotzdem immer weiter den Kontakt zu suchen. Aber so richtig hart auf die Nase gefallen bin ich kaum einmal – und am Ende waren es meine Gedanken, Sichtweise und Interpretationen, die die Größe einer Niederlage bestimmten. Das wirklich Großartige an dieser Reise war nämlich, dass ich nicht jeden Tag durch meine eigene Überforderungszone gereist bin, sondern durch Deutschland.
Die Deutschen sind eher kühl, Smalltalk ist nicht so ihr Ding, sich mit denen anzufreunden, ist nicht die leichteste Aufgabe – ihr kennt die gängigen Vorurteile über Deutschland und seine unkenden Bewohner. Nun, ich kann euch sagen: Wenn das wahr ist, dann gilt das nicht für all die offenen, geselligen und spannenden Menschen, denen ich begegnet bin.
Während meiner Reise durch Deutschland musste ich keine einzige Nacht unter einer Brücke schlafen, habe nie mehr als eine Mahlzeit am Tag ausgesetzt und viele besondere Bekanntschaften gemacht. Denn Deutschland hat mich mit offenen Armen empfangen! Ein leerstehendes Gästezimmer hier, eine geschenkte Brezel da, eine unterhaltsame Mitfahrt dort oder ein philosophischer Abend mit ernsten Diskussionen bei einem Glas Wein – die Gastfreundschaft, die Hilfsbereitschaft und die Offenheit waren überwältigend!
Und umso mehr, wenn ihr bedenkt, dass ich als Vagabund durch die Lande gezogen bin und mir oft bedingungslos geholfen und mir als Fremden vertraut wurde.
Was ich aus dieser Reise gelernt habe, ist daher dies: Unterschätze Deutschland nicht. Vergiss zwischen all den „Wir schaffen das“, „Politikverdrossenheit“ und „Deutschland schafft sich ab“-Meldungen nicht, dass Deutschland vor allem aus großartigen Menschen besteht.
Das Spektrum ist so riesig – ich habe mit Jung und Alt am Tisch gesessen, in WGs und Luxuszimmern übernachtet, mit Hausbesetzern und Mercedes-Fahrern gesprochen – und eingelassen haben sich alle auf mich und mein Abenteuer. So wurde jeder einzelne Kontakt, trotz so mancher Ablehnung und Skepsis, eine persönliche Bereicherung.
Und bevor ihr jetzt ganz gemütlich auf den „Deutschland ist toll“-Stempel von mir vertraut, rate ich euch: Erfahrt es selbst. Geht da raus, sprecht wildfremde Menschen an, sucht den Kontakt! Vor allem, wenn ihr etwas Derartiges noch #niezuvorgemacht habt, rate ich euch dringend dazu. Denn etwas Neues erlebt ihr schon, wenn ihr euch an der nächsten Ampel, im Café oder der U-Bahn mal zwei Minuten mit eurem Nebenmann unterhaltet. Wer weiß, was der für spannende Geschichten zu erzählen hat, an welchen tollen Projekten er gerade arbeitet, wie seine Lebenswelt aussieht …
Ach ja, ich habe noch eine These zu den meisten der 50 Prozent der Menschen, von denen ich auf meiner Reise ein Nein erhalten habe: Es gibt auch eine ganze Reihe verschlossener und verdrossener Menschen, die in ihrem eigenen Saft schmoren – und die natürlich nicht dieses Blog lesen. Die wissen nichts von all den Schätzen dieser Welt und von all den Möglichkeiten, die sich jedem von uns heute darbieten, wenn wir uns nur trauen, danach zu greifen. Sie lehnen jeden Wandel und Neues ab, da sie nicht nur ein wenig, sondern sehr misstrauisch sind. Schade!
Meine Bitte an Sie: Wenn Sie so jemandem begegnen oder jemandem in Ihrem Freundeskreis haben, dann geben Sie ihm oder ihr doch mal einen Tipp, die Welt hier und dort mit anderen Augen zu sehen. Das könnte ein weiterer wertvoller Beitrag für unsere Welt sein. Und von solchen Beiträgen brauchen wir noch sooo viele.
1 Kommentar
Super Markus und dein Begleiter,
habt ihr gut gemacht, wart mutig, nicht ängstlich und habt euch eingelassen auf dass was jetzt und morgen passieren wird, ohne es zu wissen. Ob zu zweit auf dem Daumen durch Deutschland (wir sind uns in Mainz auf dem Marktplatz beim Scherbengang begegnet), ob Pilgern von A nach B, ob per Rucksack allein nach Tailand oder sonstwo hin; es ist immer eine schöne Herausforderung.
Raus aus dem Komfortsessel und rein ins Leben.
Euch weiter gute Ideen für die „niezuvorgemacht“., die vielleicht anderen Menschen als Vorlage dienen können.
Liebe Grüße
Karsten