Als ich vor 20 Jahren bei Unilever im Marketing gearbeitet habe, hatte ich einen Kollegen, der mich wirklich Nerven und viel Zeit gekostet hat. So manches Mal ging ich zu ihm ins Controlling mit einer kurzen Frage, doch ich musste mir 20 oder 30 Minuten lang anhören, was er am Wochenende gemacht hat und wie sein Tischtennisverein gespielt hat.
Ich weiß noch, dass ich einmal besonders genervt aus seinem Büro zurückgegangen bin und mit meinem Kugelschreiber voller Wut ein Loch in den Sonnenschutz vom Fenster geworfen habe. Obwohl ich damals schon sehr ehrgeizig war, dachte ich kaum darüber nach, wie ich das besser machen könnte. So habe ich immer wieder gelitten und mich einfach nur geärgert.
Solche Konflikte, wie zwischen mir und meinem Kollegen, hat vermutlich jeder Mitarbeiter in irgendeiner Art und Weise immer mal wieder. Ein ungelöster Konflikt, zwei Kollegen sind sich einfach nicht sympathisch oder zwei Mitarbeiter kämpfen um das beste Ansehen im Team oder im Unternehmen.
Eine der Führungsherausforderungen in unseren heutigen Unternehmen ist es, gute Mitarbeiter zu finden und eine gute Mitarbeiterbindung aufzubauen. Damit wir gar nicht in diese Not des Mitarbeiterfindens hineinkommen, wäre es doch schlau, die Mitarbeiter, die wir schon haben und die gut sind, an uns zu binden? Was sind zwei konkrete Dinge, die Sie tun können, um Ihre Mitarbeitermotivation und Mitarbeiterbindung zu stärken?
Wie machen Sie das am Besten? Sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeiter stets wichtige und notwendige Informationen besitzen. Außerdem können Sie wichtige Kontakte anbahnen oder Hinweise zu den ungeschriebenen Gesetzen im Unternehmen geben. Und Sie können Tipps aus Ihrem reichhaltigen Erfahrungsschatz teilen und auf diese Weise gleichzeitig Ihre Mitarbeiterbindung stärken.
Natürlich lösen Sie nicht die Probleme Ihrer Mitarbeiter, aber da Sie eben Wissen und Erfahrung haben, die Ihre Mitarbeiter nicht haben, lassen Sie diese daher gern daran teilhaben – ohne die Probleme für Ihre Mitarbeiter zu lösen. Sie wissen ja, der Löwe, der Rudelführer, jagt nicht selbst, sondern die schlanken, schnelleren und agileren Löwinnen übernehmen die Jagd nach Antilopen, die im Zickzack versuchen, zu entkommen. So geht „Führen wie ein Löwe“.
Nun ist das leichter gesagt als getan: Also, Steine aus dem Weg räumen. Denn teilweise wissen Sie gar nicht, welche Steine Ihre Mitarbeiter im Weg haben. Ich empfehle Ihnen, Ihren Mitarbeitern regelmäßig folgende Frage zu stellen, zum Beispiel einmal im Quartal im Eins-zu-Eins-Mitarbeitergespräch: „Welche Steine kann ich Dir aus dem Weg räumen, damit Du Deinen Job besser machen kannst?“ Stellen Sie diese Frage regelmäßig, damit Ihre Mitarbeiter lernen, dass Sie diese Frage ernst meinen und wenn jemand wirklich einen Stein im Weg hat, dann eben auch auf die Idee kommt, Sie zu fragen: „Hey Chef, ich habe da so ein Thema. Kannst Du mir dabei helfen?“
Ihr Mitarbeiter kann sich auf Sie verlassen und Sie binden Ihre Mitarbeiter stärker an sich.
Räumen Sie hier und da Steine aus dem Weg Ihrer Mitarbeiter, sind Ihre Mitarbeiter motivierter, erfolgreicher und haben mehr Spaß bei der Arbeit. Ein guter Grund also, um Sie als Führungskraft zu schätzen und bei Ihnen zu bleiben.
Noch besser wird Ihre Mitarbeiterbindung, indem Sie Ihre Mitarbeiter befähigen, selbst Steine aus dem Weg zu räumen. Dafür helfen Sie Ihren Mitarbeitern, Kompetenzen aufzubauen. Ich spreche von Verhaltenskompetenzen, wie zum Beispiel Konflikte selbst gut lösen zu können, sich selbst gut organisieren zu können oder bei Präsentationen souverän zu wirken.
Fragen Sie Ihre Mitarbeiter einmal im Jahr: „Welche persönliche Verhaltensweise möchtest Du im kommenden Kalenderjahr verbessern?“ Fragen Sie dies Ihre Mitarbeiter und beobachten Sie auch selbst, bei welcher persönlichen Verhaltensweise Ihr Mitarbeiter aus Ihrer Sicht besser werden könnte, vielleicht sogar besser werden muss, um Ihre Erwartung zu erfüllen. Definieren Sie dann im Mitarbeitergespräch ein Ziel, z.B. „Ich bin in der Lage mit meinem Kollegen Michael Meier konstruktiv und Hand in Hand, effizient und effektiv zusammenzuarbeiten.“ So ein Ziel hätte ich damals gut gebrauchen können. Dann definieren Sie konkrete Maßnahmen, wie Ihr Mitarbeiter dort Schritt für Schritt hinkommt. Danach geben Sie als Chef, der Mitarbeiter selbst und in diesem Beispiel auch der Kollege Michael Meier einmal im Quartal ein Feedback auf einer Skala von 1 bis 10, wie gut dieses Ziel bereits erreicht ist und was noch zur 10 fehlt.
Auf diese Weise fördern Sie Ihre Mitarbeiterentwicklung. Sie befähigen Ihren Mitarbeiter Schritt für Schritt bei seinem Zielverhalten. Er merkt, dass er immer besser wird und er merkt auch, dass Sie sich als Chef für ihn interessieren. Ihr Mitarbeiter merkt: „Mein Chef fordert mich heraus und lässt mich wachsen. Ich habe einen sehr guten Grund, bei diesem Chef zu bleiben, weil er mich wertschätzt, weil ich ihm wichtig bin und weil ich mich durch ihn weiterentwickle.“
Auf einer Führungskräftetagung, auf der ich einen Vortrag zum Thema Changeprozesse des Unternehmens hielt, hörte ich einen Vorstand, wie er folgende Frage stellte: „Welches Erbe hinterlassen Sie eigentlich als Führungskraft? Woran erkennen Sie, welches Erbe Sie hinterlassen?“
Als Erbe hinterlassen Sie drei Dinge:
Der dritte Punkt ist für mich als Menschenentwickler der Entscheidende. Und er ist auch für Sie extrem wichtig. Denn je besser Sie Ihre Mitarbeiter entwickeln, desto bessere Ergebnisse erzielen Sie mit Ihrem Bereich. Und: Viele zu entwickelnde Fähigkeiten müssen im Unternehmen erkannt und bearbeitet werden, wie eben beschrieben durch regelmäßiges Feedback in Mitarbeitergesprächen. Seminare sind gut und helfen, aber die Implementierung und Steuerung des Gelernten erfolgt bei der täglichen Arbeit.
Also ist das Erbe einer Führungskraft vor allem, ob bzw. wie eine Führungskraft ihre Mitarbeiter bewusst weiterentwickelt hat. Ihre Verantwortung ist es, Ihre Mitarbeiter weiterzuentwickeln und zwar nicht nur durch Feedback hier und da, wenn Sie etwas beobachten, sondern durch konkrete persönliche Entwicklungsziele. Eine solche Mitarbeiterentwicklung kostet Fokus und auch Zeit. Und sie hilft, Ihre Mitarbeiter substanziell in Schlüsselfähigkeiten weiterzuentwickeln und Ihre Mitarbeiterbindung zu verbessern, da Sie ein kümmernder Chef sind.
Heute weiß ich, wie ich einen Konflikt mit meinem Kollegen aus dem Controlling gut lösen kann. Wenn ein kümmernder Chef mich in dieser Beziehung damals vor 20 Jahren noch mehr gefordert hätte, hätte ich diese Methoden schon ein paar Jahre früher lernen und auch bessere und schnellere Ergebnisse erzielen können.
Welches Erbe haben Sie hinterlassen, wenn Sie morgen – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr Ihr Team führen werden? Haben Sie alles gegeben? Oder geht da noch was?
Sie gestalten täglich Ihr Erbe als Führungskraft. Sie sind dran!
Viel Erfolg dabei!
Ihr Markus Jotzo