Impuls 270. Vertrauen & Führen auf Distanz

Kürzlich las ich in einem Artikel, dass Führungskräfte befürchten, das ihre Mitarbeiter im Homeoffice statt sich voll reinzuknien, Wäsche waschen, private Anrufe tätigen oder es sich einfach gut gehen lassen. Ich frage mich: Wann soll jemand denn sonst seine Wäsche waschen, wenn nicht irgendwann im Laufe des Tages? Wenn jemand bemerkt, die Wäschebox ist voll, er braucht neue Wäsche und es ist Dienstagmorgen um acht, dann ist es doch okay, wenn dieser Mitarbeiter einfach die Wäsche wäscht. Drei Stunden später hängt er dann die Wäsche auf oder tut sie in den Trockner. Pausen sind ohnehin essentiell, um sich konzentrieren zu können. Ich mache im Laufe des Tages ungefähr ein knappes Dutzend Pausen, um konzentriert arbeiten zu können – und nein, mich zwingt keine Nikotin- oder Kaffesucht zur Pause.
Gerade habe ich eine Pause gemacht, mir eine Suppe aufgewärmt, dabei mit Alexa ein Lied auf Lautstärke 10 gehört, etwas mitgetanzt und war in einer guten Stimmung. In exakt dieser guten Stimmung kam mir die kreative Idee zu diesem Podcast. Warum? Weil ich entspannt war, weil ich keine Stechuhr laufen hatte, die mir sagte, dass nach 10 Minuten die Pause wieder beendet sein muss.
Wenn ich mit meinen Eltern tagsüber für 20 Minuten telefoniere, macht mich das nicht unproduktiver. Und: Selbst wenn ich sogar 20 Minuten weniger als acht Stunden arbeiten sollte an diesem Tag – was bei mir eher unwahrscheinlich ist – durch dieses Telefonat, so what? Wirksam arbeitende Mitarbeiter im Home-Office werden nicht unwirksam durch Wäsche waschen oder einen privaten Anruf. Dafür gibt‘s andere Gründe.
Übrigens, für die Leser*innen, die sich um den Eifer ihrer Mitarbeitenden Sorgen machen: In einer Studie gaben 90% der Homeoffice-Arbeiter*innen an, genauso viel oder sogar mehr zu arbeiten als im Büro. Gut, das heißt natürlich nicht, dass Ihre Mitarbeiter das auch tun. Aber der eine oder andere ist im Homeoffice deutlich besser konzentriert und schafft in 7 Stunden das, was er vorher in 8 Stunden nicht geschafft hatte.
Vertrauen. Gar nicht so einfach – für manch eine Führungskraft
Kürzlich hatte ich eine Führungskraft im Training, der es offensichtlich schwerfiel, zu vertrauen. Trotz mehrerer konkreter Tipps von mir und anderen Trainingsteilnehmern schien er nicht überzeugt zu sein, dass er seinen Mitarbeitern Vertrauen schenken könnte. Am liebsten hätte er wohl eine Kamera hinter jedem Mitarbeiter installiert, um wirklich sicher zu sein. Nun, erstmal kein Vorwurf an diese Führungskraft. Je nachdem wie ein Mensch aufwächst und welche Erfahrungen er als Kind oder Erwachsener gemacht hat, fällt Vertrauen eben leichter oder schwerer.
Zwei Antworten habe ich für die zweifelnde Führungskräfte.
Antwort 1:
So führen Sie Mitarbeitende auf Distanz oder im Homeoffice
Fakt ist: Auch im Büro können Sie Ihre Mitarbeiter nicht kontrollieren. Ja gut, die sitzen da auf dem Stuhl und gucken auf Ihren Rechner. Aber wie produktiv sind Ihre Mitarbeiter dabei?
Wie können Sie selbst Sicherheit gewinnen über die Leistung Ihrer Mitarbeitenden? Treffen Sie mit jedem Ihrer Mitarbeitenden eine klare Vereinbarung. Was sind Ihre Erwartungen an die Ziele, die Ihre Mitarbeitenden erreichen sollen? Klare Timings, klare Erwartungen an die Qualität und klare Erwartungen an die Quantität, die die Mitarbeitenden abliefern. Und wenn Sie oder andere die Ergebnisse der Arbeit Ihres Mitarbeiters gar nicht wahrnehmen? Hm, dann fragt sich, warum der Mitarbeiter dann überhaupt jeden Tag für Ihr Team arbeitet. Dann ist er vielleicht gar nicht notwendig.
Ergebnisse kontrollieren, nicht das WIE
Also, kontrollieren Sie die Ergebnisse anhand Ihrer gestellten Anforderungen bzw. Erwartungen. Oder Sie delegieren die Kontrollaufgabe an jemanden aus dem Team. Oder an den Mitarbeiter selbst. Ihre Aufgabe lautet: für Ergebnisse sorgen. Ob das mit ganz viel Kontrolle am besten geht oder mit ganz wenig – dafür gibt es keine klare Antwort: Eine erfahrene gute Mitarbeiterin wird von zu viel Kontrolle eher demotiviert. Ein bei einem Thema noch nicht so versierter Mitarbeiter, der hier und dort noch nicht glänzend performt, nimmt eine enge Führung und Kontrolle vielleicht als eine wertvolle Unterstützung wahr, um besser zu werden.
Wichtig: Sie sorgen dafür, dass der Fokus auf Ergebnissen liegt, nicht wie Ihre Mitarbeitenden, die die Dinge im Detail erledigen. Es sei denn die Ergebnisse stimmen nicht. Dann kann es helfen, die Details zu betrachten und auf dieser Ebene Hilfestellung zu geben. Wie schon gesagt, diese Kontrolle kann durch Sie als Führungskraft erfolgen, muss aber nicht. Auch erfahrene Kollegen oder ein gegenseitiges Sparring zwischen zwei Mitarbeitenden kann ein Weg sein.
Eine Führungskraft fragte mich kürzlich, was Sie tun kann, wenn Mitarbeiter immer wieder Timings nicht einhalten.
Nun, dann ist es Ihre Aufgabe, herauszufinden, woran das genau liegt. Arbeitet der Mitarbeitende zu detailliert, arbeitet er zusätzlich an zu vielen anderen Themen oder arbeitet er einfach langsamer als Sie es erwarten? Vielleicht reicht auch seine Qualifikation nicht für das von Ihnen erwartete schnelle Arbeiten? Finden Sie im Dialog durch Fragen die Ursache heraus. Nur wenn Sie die Ursache kennen, können Sie gemeinsam mit Ihrem Mitarbeiter gegensteuern. Solange Sie die Ursache nicht kennen, können Sie auch schwer die bestmögliche Lösung finden. Dann macht Ihr Mitarbeiter vielleicht Überstunden, um das Timing zu schaffen. Doch das ist vielleicht nicht der intelligenteste Weg für eine Lösung des Themas.
Und: nutzen Sie beim Ergründen der Ursache bitte nicht das Fragewort ‚Warum‘. Je nachdem wie Ihr Mitarbeiter tickt kann das vorwurfsvoll und in die Ecke drückend empfunden werden. Sagen Sie lieber: „Ich möchte Deine Situation besser verstehen. Wie gehst Du an dieses Projekt bzw. Deine Arbeitsmenge heran? Lass uns das mal genau anschauen, damit wir dann eine passende Lösung für das Thema finden.“ Wichtig: Ohne Wut, ohne Vorwurf oder dominierende negative Emotionen. Wer zum Thema ‚die eigenen Emotionen beheerrschen‘ mehr Informationen benötigt, der hört noch einmal das Interview mit Lutz Herkenrath im „Führen wie ein Löwe“ Podcast Episode 80.
Und falls Sie ein Mitarbeitender einmal fragt: „Kontrollierst Du mich etwa?“ Dann antworten Sie direkt und klar: „Natürlich kontrolliere ich Deine Ergebnisse. Ich bin für die Qualität und Quantität der Ergebnisse des Teams verantwortlich.“ Immer wieder erlebe ich Führungskräfte in meinen Trainings, die auf diese Frage eingeschüchtert mit ‚Nein‘ antworten. Seien Sie einfach offen, ehrlich und direkt.
Und fragen Sie Ihre Mitarbeitenden, wie sie selbst sich die Arbeit auf Distanz vorstellen. Lassen Sie Ihre Mitarbeitenden Teil der Lösung sein, indem Sie sich für die Ideen, Tipps und Erwartungen der Mitarbeitenden interessieren und die passenden davon umsetzen. Im Rahmen eines Führungskräfte-Trainings von 70 Führungskräften Ende letzten Jahres fragte ich vorher bei allen Mitarbeitenden ab, was Sie sich für ihr Team wünschen, z.B. in puncto Teamgefühl. Ungefähr 360 Mitarbeiter hatten ca. 1.500 Gedanken. Viele davon waren schnell und einfach umsetzbar. Nehmen Sie Ihre Mitarbeitenden also in die Verantwortung für Lösungen, hören Sie den Ideen Ihrer Mitarbeitenden zu und ernten Sie somit Engagement und Tatkraft. Und wenn Sie Erwartungen oder Wünsche hören, die aus Ihrer Sicht nicht passen, dann stellen Sie im ersten Schritt sicher, dass Sie Ihren Mitarbeitenden wirklich exakt verstanden haben – inkl. der Idee der konkreten Umsetzung – und erst dann erläutern Sie, welche Gründe diesen Weg nicht zulassen – falls Sie nach ihrem tiefen Verständnis immer noch ablehnen möchten. Lehnen Sie niemals Ideen vorschnell ab. Manchmal sind Mitarbeitende einfach kreativer und innovativer als wir Führungskräfte.
Antwort 2 für eine extrem hohe Leistung Ihrer Mitarbeiter
Das Wertvollste, was Sie von Ihren Mitarbeitern bekommen können, ist nicht ihre Arbeitskraft und Konzentration. Das Wertvollste, was Sie von Ihren Mitarbeitern bekommen können, ist auch nicht ihre Arbeitszeit. Das Wertvollste, was Sie von Ihren Mitarbeitern bekommen können, ist ihre Arbeitslust, ihre Begeisterung, täglich zu etwas Sinnvollem beizutragen.
Wenn Ihre Mitarbeitenden brennen für die Sache und ihren Job, dann erhalten Sie nicht nur Mitarbeitende, die – abzüglich der Pausen – acht Stunden pro Tag arbeiten, sondern Sie ernten Mitdenken, Freude bei der täglichen Arbeit, Lust, die letzten Fehler auszumerzen, Bock darauf, Kunden richtig zufrieden zu stellen, Mitarbeiter, die sich gegenseitig helfen, die freudig über ihren Job und Ihren Arbeitgeber reden. Sie ernten Mitarbeiter, die stolz sind auf ihre Ergebnisse und Lust haben auf das nächste Todo und das nächste Projekt.
Was ist in Ihrem Team, in Ihrem Unternehmen der Zweck der Arbeit selbst, der Ihre Mitarbeiter motiviert? Ich frage oft Menschen, die Berufen nachgehen, die so gar nichts für mich wären, was sie daran fasziniert. Eine Frisörin, eine Chirurgin, ein Florist waren die letzten, die ich gefragt habe. Und diese Menschen waren alle so klar, so eindeutig, warum sie ihren Job lieben. Diesen Menschen ist klar, warum sich ihr Engagement jeden Tag lohnt. Ist das bei Ihren Mitarbeitenden auch der Fall? Oder machen die nur ihren Job, um Geld zu verdienen. Natürlich darf Geld eine wichtige Rolle spielen. Aber der Hauptgrund, sich täglich reinzuknien und sich voll und ganz zu engagieren, ist immer etwas anderes als Geld.
„Ich mach jetzt Dienst nach Vorschrift!“
Ich bin davon überzeugt, die allermeisten Menschen wählen einen Beruf, weil sie ein inneres Interesse für dieses Themenfeld haben. Wenn manchen Menschen ihr Job keinen Spaß mehr macht, dann ist bei diesen Menschen vermutlich etwas zugeschüttet worden oder verloren gegangen. Denn jeder neue Mitarbeiter hat doch am allerersten Tag ein Interesse, eine Lust darauf, einen sinnvollen Beitrag zu leisten oder für einen Kunden da zu sein oder für unsere Gesellschaft – je nach Job eben. Kein Mitarbeiter fängt doch einen neuen Job an und sagt sich: „Hier werde ich mal schön Dienst nach Vorschrift schieben. Die Kollegen und meinen Chef werde ich schön verarschen und Geld kassieren, das mir gar nicht zusteht!“. Menschen wollen einen Beitrag leisten, wollen sich beweisen und wollen die Wertschätzung vom Chef, den Kollegen und Kunden erhalten, die ihnen für ihr Engagement zusteht.
Wenn Sie den Eindruck haben, dass Sie einen Mitarbeiter haben, der momentan nicht brennt, dann ergründen Sie ihn doch mal die Ursache. Und finden heraus, was ihn dazu bewogen hat, diese Ausbildung zu machen und sich für diesen Job zu bewerben. Legen Sie die ursprüngliche Motivation wieder frei. Und finden Sie heraus, was diese Motivation derzeit verschüttet hat.
Und wenn Ihr Mitarbeiter für seine Tätigkeit auch nach mehrmaligem Ansprechen darauf keinen persönlichen Grund findet, warum ihm diese Arbeit Spaß machen könnte, dann haben Sie vielleicht den Grund für seine niedrige Leistung gefunden. Dann ist es vielleicht am besten, wenn er sich einen neuen Job sucht, in Ihrem Unternehmen oder im nächsten. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Das ist dann für beide Seiten das Beste.
Sie sind dran: Vertrauen Sie!
Also: Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitenden? Wenn Sie selbst unsicher sind, dann gehen Sie doch mal einen ungewöhnlichen Weg: Teilen Sie diesen Blog-Artikel mit Ihren Mitarbeitern. Lassen Sie sie den Podcast „Führen wie ein Löwe“ Episode 81 hören oder hier auf der Homepage lesen. Beginnen Sie dann eine Diskussion: Was ist der Grund, warum es sich lohnt, sich hier jeden Tag reinzuknien. Die Antworten dürfen individuell sein. Der eine Florist liebt die Ästhetik der Blumen, der nächste liebt es, Kunden glücklich zu machen und der dritte liebt es, mit den Händen kreativ zu arbeiten. Alle drei Wege können zu höchster Motivation führen. Was ist die tiefe Motivation jedes einzelnen Ihrer Mitarbeitenden?
Ich wünsche Ihnen, dass Sie produktiv und vertrauensvoll auch beim Führen auf Distanz mit Ihren Mitarbeitern arbeiten.
Ihr Markus Jotzo
Wenn Sie weitere konkrete Tipps wünschen, wie Sie Ihre Kunst des Führens auf Distanz ausbauen können – egal ob Zwangs-Homeoffice oder weil Ihre Mitarbeitenden auf verschiedene Standorte verteilt sind – dann nutzen Sie mein Online-Training „Heiß auf Homeoffice – Führen virtueller Teams – Führen auf Distanz“. In diesem 12 Wochen-Programm lernen Sie mit Hilfe von u.a. 12 Videos und vielen Downloads, was Sie konkret tun können, um sich selbst und Ihre Mitarbeitenden professionell auf Distanz zu führen.
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Und übrigens fast alle Tipps aus diesem Online-Training können Sie auch anwenden, wenn Sie Ihre Mitarbeiter nur noch teilweise auf Distanz führen oder gar nicht mehr. Sie sparen Zeit, z.B. durch bessere Meetings, Sie sparen Ärger, weil sie Konflikte nachhaltig lösen und Sie gewinnen die Lust Ihrer Mitarbeiter auf Ihre tägliche Arbeit.
Viel Spaß & Erfolg mit dem Online-Training und beim Führen.
Photo by Balaji Malliswamy on Unsplash