Wenn Sie mit anderen Menschen netzwerken, dann wollen Sie aus diesem persönlichen Kontakt einen Nutzen ziehen, oder? Und dieser Nutzen soll mehr sein, als nur angenehme Gespräche zu führen. Na klar! Sie wünschen sich im Laufe der Zeit Informationen, Kontakte und den einen oder anderen Gefallen.
Ich hasse es ja, Bittsteller zu sein.
2016 reiste ich von Hamburg zur Zugspitze in 4 Wochen – OHNE Geld. Jeden Tag war es meine Aufgabe, Menschen anzusprechen und diese um etwas zu bitten: Etwas zu essen, etwas zu trinken und – das war das Schwierigste für mich – einen Platz zum Schlafen für Fabian, meinen Kameramann, und mich. Abhängig zu sein von anderen, macht keinen Spaß. Mir jedenfalls nicht.
Die meisten Gastgeber waren übrigens großzügig und spendabel. Fabian und ich genossen häufig bequeme Gästebetten und leckeres Essen.
Dieses ständige Fragen und meine Abhängigkeit von anderen Menschen war mir also unangenehm. Ich bin gern unabhängig. Ich stehe gern auf eigenen Füßen. Auf der Reise war das einfach nie der Fall. Ich war ständig von der Unterstützung anderer abhängig. Eine intensive Lebenserfahrung für mich!
Wenn wir mit anderen Menschen netzwerken, dann benötigen wir eine ähnliche Fähigkeit. Es geht unter anderem darum, andere um einen Gefallen zu bitten, beispielsweise um einen Kontakt, einen Hinweis, Zeit für ein Essen oder oder oder.
Das ist schwierig, oder? Bittsteller sein macht vermutlich niemandem wirklich Spaß. Angenehmer ist es doch, zu geben und sich dabei gut zu fühlen oder zumindest ein ausgewogenes Verhältnis von Geben und Nehmen zu erfahren.
Keith Ferrazzi hat mir mit seinem Netzwerker-Buch „Geh‘ nie alleine essen!“ die Augen geöffnet und mich sofort wieder an meine Reise erinnert. Die Idee beim persönlichen Netzwerken ist nämlich nicht, andere nur um etwas zu bitten und so eine Einbahnstraße des Nutzens in die eigene Richtung zu bauen. Nein, Keith Ferrazzis Ansatz geht genau in die andere Richtung: Sprechen Sie zu 90% darüber, was Sie für die andere Person tun können und nur zu 10% darüber, was Sie sich von der anderen Person wünschen.
Wenn ich heute auf meine Deutschlandreise von 2016 zurückblicke, dann komme ich zu der Erkenntnis: Die Menschen haben gar nicht nur gegeben und ich nur genommen. Auch ich habe reichlich gegeben. Ich habe von den Erfahrungen dieser verrückten Reise berichtet. Ich habe von meinem Buch „Tu, was Du nicht kannst“ erzählt und von den darin enthaltenen Denkanstößen, um neue Ergebnisse zu erzielen. Ich habe zugehört, was meine Gastgeber erlebt und erfahren haben in ihrem spannenden Leben. So hat sich niemand am Ende des Tages ausgenutzt gefühlt. Und auch mit der Entscheidung, uns eine Übernachtungsmöglichkeit zu geben, hat niemand ein großes Opfer erbracht. Der Platz war ja da – auch wenn es mal nur eine Matratze auf dem Dachboden war.
Auch Sie sind eine einzigartige Persönlichkeit mit spannenden Erfahrungen und vielen, vielen Besonderheiten. Sie haben selbst Kontakte, Erfahrungen und Wissen, das widerum anderen einen Nutzen bringen kann. Mir war das auf meiner Reise gar nicht bewusst. Ich fühlte mich häufig als nicht-gebender Bittsteller. Doch Tausende Menschen spenden täglich in Deutschland und freuen sich, ein gutes Werk getan zu haben. So war es auch bei mir. Und die Menschen machten kein schlechtes Geschäft, denn sie entschieden sich, aus freien Stücken zu geben.
Wenn Sie also Menschen um etwas bitten, dann machen Sie sich auch bewusst, dass Menschen gern geben. Umso leichter, klar, wenn Sie nicht als unangenehm riechender Obdachloser daherkommen. Doch auch diesen Menschen geben viele gern etwas und fühlen sich im Anschluss besser.
Was heißt das konkret für Ihr persönliches Netzwerken?
Erstens:
Sie sind gar kein Bittsteller. Sie sind ein Mensch mit Lebenserfahrung, ganz gleich, ob Sie 15, 35 oder 55 Jahre alt sein sollten. Sie haben etwas Konkretes zu bieten. Überlegen Sie vor einer Kontaktaufnahme beim Netzwerken: Was ist es, womit Sie dem anderen ganz konkret nutzen können? Kontakte. Fachwissen. Erfahrungen. Ihre eigene Meinung und Perspektive. Ihre Ideen. Und Sie haben ein anderes wertvolles Gut zu bieten: Ihr echtes Interesse einem anderen Menschen gegenüber. Ihre Zeit und Ihre Gesellschaft sind viel wert. Wann hatten Sie das letzte Mal das Gefühl, dass ein Mensch ein tiefes Interesse an Ihnen als Person gezeigt hat und Ihnen viele Fragen gestellt und sein Ohr geschenkt hat?
Überlegen Sie sich also vor einer Kontaktaufnahme: Was ist der Nutzen, den Sie der anderen Person anbieten werden?
Zweitens:
Bieten Sie der Person, mit der Sie netzwerken, diesen Nutzen explizit an.
Drittens:
Überlegen Sie ebenfalls vor jeder Kontaktaufnahme: Welchen Nutzen möchten Sie aus dieser Verbindung ziehen? Die Reihenfolge im Dialog ist dann: Zunächst bieten Sie der Person, die Sie ansprechen, etwas an. Erst danach benennen Sie Ihr eigenes Interesse.
Viertens:
Fragen Sie explizit nach dem, was Sie von der anderen Person benötigen.
Persönliches Netzwerken: Willst Du was, frag danach!
Hört sich einfach an, oder. Ich finde, das ist es auch. Wenn Sie es nicht ganz plump angehen, dann werden sich Menschen mit Ihnen zum Mittagessen verabreden. Diese Menschen werden Sie mögen, weil Sie sie nicht zutexten, sondern Sie ihnen zu verstehen geben, was diese Menschen für bewundernswerte, tolle Menschen sind. Wenn Sie deutlich weniger als 50 Prozent der Zeit sprechen, werden Sie Ihren Gesprächspartner zum Helden dieses Treffens machen und somit den anderen Menschen bereichern. Auf diese Weise sind Sie keinesfalls ein Bittsteller, sondern ein Geber, ein Mensch, den andere Menschen gern treffen, mit dem andere gern eine Beziehung pflegen und intensivieren.
Und nur, um das klarzustellen: Natürlich führen Sie keine Befragung durch, in der Sie lediglich eine Frage nach der anderen raushauen, nur 5% der Zeit sprechen und den anderen quasi verhören. Erzählen Sie hier und dort auch von Ihnen, damit die Person auch Sie kennenlernt und Anknüpfungspunkte und Gemeinsamkeiten erkennt.
Wann beginnen Sie Ihr persönliches Netzwerken?
Rufen Sie noch heute einen anderen Menschen an oder schreiben eine E-Mail, um sich zu verabreden. Denken Sie dabei an die vier Schritte und genießen Sie es, mit Menschen im Kontakt zu sein und andere zu bereichern – und dann bereichern andere Menschen auch Sie.
Viel Erfolg!
Ihr Markus Jotzo
P.S.: Weitere Netzwerken Tipps finden Sie im Blog 236 und im Blog 237. Lesen und Netzwerkprofi sein…