Impuls 255. Weinende Kinder einfach weinen lassen! Angst vor Veränderungen
Was tun Sie, wenn Ihr Kind vor etwas Angst hat, sich wehgetan hat oder geärgert wurde und nun traurig ist und weint? Natürlich nehmen Sie Ihr Kind in oder auf den Arm oder auf Ihren Schoß. Sie lassen es sich selbstverständlich nicht einfach allein ausweinen. Auf Ihrem Arm weint es sich aus und erzählt, was passiert ist. Sie hören Ihrem Kind aufmerksam zu und trösten es mit einfühlsamen Worten. Irgendwann hören Sie dann dieses entspannte sehr tiefe Ein- und Ausatmen Ihres Kindes und Sie wissen, jetzt wird es wieder gut.
Wenn meine Tochter weinend zu mir kommt, mache ich das genau so. Ich nehme sie in den Arm und halte sie ganz fest. So fest, dass sie sich sicher und geborgen fühlt. Dann sage ich so etwas wie: „Es ist ok, wenn Du traurig bist.“ Traurig zu sein, ist normal. Die Eltern, die sagen, „Das ist doch nicht so schlimm.“, widersprechen ihrem Kind. Anders ausgedrückt sagen diese Eltern: „Dein Gefühl ist falsch, Du irrst Dich.“ Das ist ungeschickt, da das Kind dann lernt: „Ich kann meine eigenen Gefühle nicht richtig einschätzen.“ Der Link dazu im Blog auf meiner Homepage, wie man falsch trösten kann, ist wirklich erhellend. Ich empfehle Eltern und Führungskräften, sich diesen Artikel in 2 Minuten durchzulesen. Meine Tochter bekommt, wenn sie sich weh getan hat, Zaubersalbe auf die Aua-Stelle oder ich streichele sie ganz langsam am Bein oder am Bauch – je nachdem, was sie sich wünscht. Letzte Woche hatte sie Angst, weil Sie einen Corona-Test machen sollte. Das Video, das sie im Internet dazu angesehen hatte, hatte ihre Angst leider verstärkt. Deshalb haben wir uns zusammen ausgedacht, wie wohl der Anzug aussehen wird, den die Ärztin tragen wird. Wird er gelb sein? Oder grün? Oder vielleicht sogar blau mit rosa Punkten? Meine Tochter fing dann an, sich weitere Farbideen auszudenken, und ihre Aufmerksamkeit wechselte von Angst hin zu Neugier auf den Anzug der Ärztin. Nach einer Weile sprachen wir wieder ganz normal, meine Tochter war wieder entspannt und ok-gelaunt, auf jeden Fall besser gelaunt und zuversichtlicher als vorher. Der Corona-Test war natürlich negativ und längst nicht so schlimm wie von ihr vorher erwartet.
Wir Erwachsene sind da nicht anders. Wenn für uns etwas schwer oder belastend wird, zum Beispiel, weil die Veränderungen zu schwer sind und wir sogar Angst haben, dann brauchen wir unseren Partner oder Partnerin ab und zu, damit er oder sie uns in den Arm nimmt. Das tut gut. Oder einen guten Freund oder Freundin. Jemand, der einfach für uns da ist. Er oder sie tröstet uns mit seiner oder ihrer puren Anwesenheit, Zuwendung und körperlichen Wärme. Er oder sie nimmt sich Zeit und hört zu. Das tut gut.
Was tun bei Angst vor Veränderungen?
Das gleiche brauchen wir Menschen, wenn wir uns in Veränderungsprozessen im Unternehmen befinden, mit denen wir schwer zurechtkommen, weil wir unsicher sind oder sogar ängstlich. Wir benötigen jemanden, der uns zuhört. Jemand, der nicht gleich mit klugen Ratschlägen um die Ecke kommt, sondern sich wirklich Zeit dafür nimmt, uns zuzuhören. Wer mehr über die Bedeutung des Zuhörers wissen möchte, der hört die „Führen wie ein Löwe“ Podcast Episode Nr. 8a und 8b. Wenn im Unternehmen Veränderungen anstehen, dann sprechen wir über diese Veränderungen viel mit unseren Kollegen, Freunden und zu Hause mit der Familie. Das Unternehmen verlangt Großes, Neues, Ungewohntes von uns. Das macht uns eben unsicher und ängstlich. Denn wir wissen nicht, wie gut die Veränderungen uns gelingen werden. Werden wir Fehler machen? Fallen den Veränderungen auch Arbeitsplätze zum Opfer? Ist mein Arbeitsplatz sicher? Ich sage es Ihnen: „Kein Arbeitsplatz ist sicher.“ Aber Sie können viel tun, um Ihre Position im Team und im Unternehmen zu stärken. Mehr Details hören und sehen Sie in meinem Video „Corönchen richten“ Teil 2. Was ich weiß, ist, dass gute Mitarbeiter, flexible Mitarbeiter, Mitarbeiter, die bereit sind, sich ins Zeug zu legen, die evtl. auch bereit sind, in eine neue Stadt umzuziehen oder in einer neuen Branche anzufangen, auf jeden Fall eine spannende, neue Arbeitsstelle finden werden. Klar kostet das dann Kraft, aber so wird es sein. Der Weg wird durchaus unangenehm, schwierig und nicht einfach sein. Aber Sie werden daraus unglaublich viel lernen. Sie könnten auf diese Lernerfahrung auch verzichten? Das glaube ich Ihnen, aber manchmal können wir es uns nicht aussuchen. Auch mich hat gerade die Corona-Welle voll erwischt und ich habe deutlich weniger Umsatz als im letzten Jahr. Aber hänge ich in den Seilen und kotze jeden Tag im Strahl? Nein, ich produziere weiter Content, der Ihnen als Führungskraft weiterhilft. Und natürlich habe ich auch schwache Momente, in denen ich einfach eine Pause brauche. Das ist normal. Aber die Grundstimmung heißt: Hintern hoch und Gas geben. Wie gesagt, wer will schaut gern das Video Corönchen richten Teil 2.
Hat der Geschäftsführer Zeit für jeden Mitarbeiter?
Zurück zu den Veränderungen und was die Mitarbeiter in Zeiten der Unsicherheit und Angst brauchen. Idealerweise bekommen Mitarbeiter Sicherheit von der Institution, die uns die Unsicherheit am Anfang beschert hat: vom Unternehmen selbst. Das kann der Geschäftsführer sein, der bestimmte Regelungen bekannt gibt, die uns Sicherheit geben. Aber wir alle wissen heute, dass in einem extrem ungewissen Umfeld wie in der Corona-Zeit niemand so richtig sagen kann, was in zwei Monaten sein wird. Oft werden Geschäftsführer wenig Zeit haben und nicht jedem ihrer Mitarbeiter zuhören. Ein gutes Bespiel ist der Geschäftsführer Kristian, von dem Sie in Episode 66 bzw. Blog Impuls Nr. 251 lesen. Der nimmt sich tatsächlich Zeit für seine Mitarbeiter.
Die Change-Angst-Kümmererin
Wer könnte denn sonst dran sein, sich um die Mitarbeiter zu kümmern, so wie es ein Vater oder eine Mutter mit dem traurigen Kind macht? Genau, Sie könnten das tun. Die direkte Führungskraft Ihrer Mitarbeiter. Sie könnten in Einzelgesprächen und im Teamgespräch Ihren Mitarbeitern zuhören. Welche Sorgen und Nöte haben sie? Welche Art von Informationen benötigen sie? Wovor genau haben sie Angst? Sie sind die Repräsentantin des Unternehmens. Sie können Ihre Mitarbeiter ‚in den Arm nehmen‘ und ihnen wirklich zuhören. Das gibt Wärme und Geborgenheit, wenn Sie es richtig machen. Sie können Ihre Mitarbeiter mit Informationen versorgen. So wie es eben möglich ist. Eine Führungskraft erzählte mir kürzlich, dass Ihre Mitarbeiter wünschten, mehr Informationen zu bekommen. Also gibt diese Führungskraft nun zwei-wöchentlich Informationen aus ihrem Meeting mit ihrer Chefin weiter. Die Führungskraft wunderte sich noch, wozu die Mitarbeiter diese Informationen brauchen. Denn für die tägliche Arbeit benötigen die Mitarbeiter diese Informationen gar nicht. Aber auf Nachfrage sagen die Mitarbeiter, dass sie das extrem hilfreich finden. Wenn sich Menschen unwissend fühlen, dann fühlen sie sich noch unsicherer und noch hilfloser. Mit Informationen fühlen sie sich … naja, eben informiert, und nicht so sehr im Dunkeln sitzend.
Das Kostbarste geben bei Angst vor Veränderungen
Sie können als Führungskraft also einiges tun, um Ihren Mitarbeitern Ängste zu nehmen und Sicherheit zu geben. Das Wertvollste, was Sie einem anderen Menschen geben können, ist Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit und Ihre Zeit. Das heißt nicht, dass Sie nun jeden Tag stundenlang nur zuhören sollen. Aber regelmäßig wirklich zuhören und für Ihre Mitarbeiter da sein, hilft. Eine Führungskraft erzählte in einem meiner Führungskräftetrainings, dass er jeden Tag morgens „seine Runde macht“, die bis zu 30 Minuten, in Ausnahmefällen eine Stunde, dauert. Da baut er Kontakt auf zu seinen Mitarbeitern und erhält viele Informationen. Denn er interessiert sich für die Gedanken seiner Mitarbeiter, stellt Fragen und hört zu. Wenn Ihnen dieser Weg zu unstrukturiert ist, dann stellen Sie im Eins-zu-Eins-Gespräch Ihren Mitarbeitern diese drei Fragen:
– Wie gut kommst Du mit den Veränderungen zurecht? Skala 1-10. 10 am besten. Was ist schon gut? Was fehlt zu einer 10?
– Was gibt es, das Dich unsicher sein lässt?
– Was kann ich als Führungskraft für Dich tun, damit Du gut durch die Veränderungen kommst?
Dienen Sie Ihren Mitarbeitern, dann werden Ihre Mitarbeiter auch dem Unternehmen und Ihnen dienen.
Zuhören und Verstehen ist nicht so leicht
Eine Führungskraft erzählte mir kürzlich, dass er seine Mitarbeiter nicht versteht. Ein kleiner Standort in Süddeutschland wurde geschlossen, ok. Aber der Standort in Frankfurt ist groß und sicher und bleibt auf jeden Fall bestehen. Nun seien die Mitarbeiter in Frankfurt total aufgeregt und laufen herum wie aufgescheuchte Hühner. Das verstand dieser Chef nicht, wo er doch ‚seinen Mitarbeitern gar nichts tut‘. So seine Sichtweise. Zugehört hatte er seinen Mitarbeitern bis dahin allerdings kaum. Menschen sind nicht so kompliziert, wie es manchmal scheint. Was Menschen in unsicheren Zeiten benötigen, ist immer wieder jemand, der sie – im übertragenen Sinne – in den Arm nimmt. Dafür ist insbesondere die Führungskraft als Repräsentantin des Unternehmens prädestiniert. Ja, ich weiß, sie wissen schon jetzt nicht, wo Ihnen der Kopf steht und wie sie alles schaffen sollen. Nun, Ihre Führung und die Mitarbeiter in einen emotional handlungsfähigen Zustand zu versetzen, ist in Zeiten des Wandels eine Ihrer Hauptaufgaben. Dann muss eben etwas anderes warten. Es bleiben ja immer Aufgaben liegen bis morgen oder später.
Persönliches Engagement gegen die Change-Angst
Und noch ein Gedanke. Die Emotionen, Ängste und Unsicherheiten Ihrer Mitarbeiter erkennen Sie schwer im Online-Meeting. Emotionen erkennen Sie am besten, wenn Sie Ihrem Gesprächspartner in die Augen schauen. Das geht nur, wenn Sie mit der Person im selben Raum sitzen. Daher sorgen Sie für persönliche Begegnungen. Kürzlich interviewte ich den mehrfachen Olympiasieger und Weltmeister im Schwimmen Michael Groß, der inzwischen als Trainer und Berater arbeitet. Michael erzählte von einer Führungskraft, die ihre Mitarbeiter im Homeoffice besucht. Das nenne ich die Extrameile gehen. Das nenne ich für die Mitarbeiter da sein. Das nenne ich, sich um Mitarbeiter kümmern. Und wenn Sie sich um Ihre Mitarbeiter kümmern, dann werden die sich im Gegenzug auch um das Unternehmen und die Aufgaben kümmern. Sie haben es in der Hand. Das Interview mit Michael Groß hören Sie in der Podcast-Episode 69.
Neues Buch von Markus Jotzo: „Uns kann keiner was“
Ich wünsche Ihnen gutes Zuhören, die richtigen Prioritäten und Mitarbeiter, die sich bei Ihnen geborgen und sicher fühlen – so wie es auch ein weinendes Kind braucht. Und wen noch mehr Tipps interessieren, der liest mein neues Buch „Uns kann keiner was! Wie Sie Ihrem Team Sicherheit geben, wenn nichts mehr sicher ist“. Das Buch ist frisch im April 2020 erschienen.
Viel Erfolg! Ihr Markus Jotzo
Wenn Sie Unterstützung bei Führungsthemen benötigen, dann schreiben Sie mich an unter service@markus-jotzo.com oder rufen mich an: +49 40 60 59 29 56.
Alle meine Vorträge, Trainings und Coachings finden auf Wunsch auch online statt.
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