Impuls 234. Digital Leadership: 3 Dinge brauchen Ihre Mitarbeiter zum Überleben. Den Change meistern – Teil 10

Haben Sie schon einmal in einem verspäteten ICE gesessen? Ich sitze gerade in einem verspäteten ICE, während ich diesen Blog schreibe. Wie entwickelt sich die Laune der Reisenden im Zug, wenn die Verspätung von Bahnhof zu Bahnhof um einige Minuten zunimmt, statt weniger zu werden? Na klar, die Laune geht in den Keller, denn die Fahrgäste verpassen Anschlusszüge, Termine, haben weniger Zeit am Zielort oder kommen später ins Bett so wie ich heute Abend.
Da ich in Deutschland zu fast allen Terminen mit der Bahn fahre, passiert das schon mal. Obwohl ich in der Regel den Großteil der Reisezeit zum Arbeiten nutze – so wie jetzt zum Schreiben –, macht es für mich meistens keinen großen Unterschied, ob der Zug etwas später ankommt. Dennoch bin auch ich manchmal genervt. Manchmal weiß ich nicht, welchen Anschlusszug ich bekomme, und die Ankunftszeit an meinem Zielort ist ungewiss, so wie heute Abend.
Und manchmal passiert es, dass eine Zugbegleiterin es schafft, mit ihrer persönlichen Note meine Stimmung und die anderer Reisender nach oben zu heben. Da kommen dann mehrfache Lachanfälle über die Lautsprecher des ICE, wirklich gut gemeinte Erklärungen wie „Unser Zugführer gibt sein Bestes, ein paar Minuten Verspätung wieder aufzuholen“ oder wirklich ernst und gefühlvoll gemeinte Erläuterungen der Situation.
Am schlechtesten weg kommen bei mir die vorformulierten Begründungen: „Grund für die Verspätung ist ein langsam fahrender Zug vor uns.“, „Grund dafür ist das Warten auf Reisende aus einem anderen Zug.“, „Grund für die Verspätung ist eine Signalstörung.“ Wer denkt sich diese herzlosen Routineansagen aus? Sie wirken lieblos auf die Menschen, die von einer pünktlichen Bahnreise ausgegangen sind.
Übrigens, nur um das klarzustellen, ich bin ein mega Fan der Deutschen Bahn. Ich werde dieses Verkehrsmittel in den nächsten Jahren noch hunderte von Malen nutzen und freue mich auf viele produktive Stunden.
Was gibt es noch zu erleben bei Verspätungen? Unsichtbare Zugbegleiter. Die Schaffner machen sich über mehrere Stunden rar und verzichten komplett auf Kontrollen. Ebenso verschwinden die Zugbegleiter und stehen den Reisenden nicht mehr für persönliche Fragen zum weiteren Fahrtverlauf zur Verfügung. Zwar freuen sich einige Reisende, die ein Ticket hätten nachlösen wollen, aber Dutzende andere fühlen sich mit Ihren Fragen allein gelassen. Sie haben keinen kompetenten Ansprechpartner, der sich um Sie kümmert.
Führungskräfte verstecken sich wie Schaffner
Eine Führungskraft sagte vor wenigen Tagen im Führungskräftetraining zu mir, dass sie schon mal dazu neigt, sich in ihrem Büro einzukapseln, wenn es hoch hergeht und die Veränderungen, Unsicherheiten und unbeantworteten Fragen an den Nerven der Mitarbeiter zehren. Das ist umso verständlicher, wenn die Führungskraft auf manche Fragen gar keine Antworten parat hat.
Ideal wäre es natürlich, wenn Führungskräfte die nächsten Schritte des Unternehmens, die exakten Auswirkungen auf das eigene Team und die berufliche Zukunft der Mitarbeiter voraussagen könnten. Doch das kann ja gar nicht das Ziel sein.
Wie die Reisenden im Zug, wollen auch Mitarbeiter im Unternehmen jemanden an Ihrer Seite wissen, der sich um sie kümmert, wenn es unsicher ist. Es hilft einem Mitarbeiter bereits, jemanden zu haben, der Ihnen ein offenes Ohr schenkt, der in diesem Moment wirklich für sie da ist und der Ihnen nicht den Eindruck vermittelt, seine Zeit zu stehlen.
Floskeln töten die Motivation
Führungskräfte nutzen ähnliche Floskeln wie die Deutsche Bahn, zum Beispiel „Meine Tür ist immer offen.“ Sie meinen damit, dass die Mitarbeiter mit Ihren Sorgen und Nöten jederzeit zu ihnen kommen können. Dieser Satz ist gut gemeint. Doch das reicht nicht aus. Als Führungskraft haben Sie die Verpflichtung, pro-aktiv Zeit mit Ihren Mitarbeitern zu verbringen. Im Führungskräftetraining mache ich mit den Teilnehmern eine Übung, in der Führungskräfte schmerzhaft erfahren, wie ätzend es ist, wenn die Führungskraft sich nur auf eine Aufgabe fokussiert – die Timings, die To-dos, die Termine – aber die menschlichen Bedürfnisse ignoriert.
Wir sind emotionale Wesen. Emotionen, vor allem die unschönen und unangenehmen, brauchen ein Darumkümmern. Erst wenn die Gefühle bedient sind, ist ein Mensch auch in der Lage, sich tatkräftig um Projekte, Präsentationen und andere Pflichten zu kümmern.
Führen im Change = Seelsorger sein
Als Führungskraft benötigen Sie also Pfarrer-Qualitäten. Ja, das meine ich wirklich so! Sie können natürlich versuchen, ganz rational an die Leistungspflicht des Mitarbeiters zu appellieren. Sie können dann vermutlich ein relativ kurzes rationales Gespräch führen, in dem Sie 80% der Zeit sprechen, sich für das Zuhören Ihres Mitarbeiters bedanken und am Schluss Ihre Erwartung äußern, sich auf die Loyalität des Mitarbeiters verlassen zu können.
Solch ein Gespräch spart Zeit, doch die Gefühlslage Ihres Mitarbeiters wird sich nicht verbessern. Und seine Leistungsfähigkeit auch nicht.
Es gilt, mehrfach ein klares Warum im Dialog verständlich zu erläutern. Es gilt, tatsächlich hinzuhören, sodass Ihre Fürsorge beim Mitarbeiter ankommt. Es gilt, die Erwartungen so an Ihren Mitarbeiter zu kommunizieren, dass er ein klares, umsetzbares Bild seiner Aufgaben erhält. Erst dann haben Sie eine Chance auf ein engagiertes Mitarbeiten Ihrer Mitarbeiter.
Quintessenz: Sprechen Sie über diese 3 Fragen
Auch wenn Sie unter Zeitnot leiden, es ist Ihre Aufgabe, für eine gute Befindlichkeit Ihrer Mitarbeiter zu sorgen. Das schaffen Sie, indem Sie zuhören, Ihre Mitarbeiter ernst nehmen und sich Zeit für Dialoge und Teamgespräche über das „WIE“ nehmen:
- Wie geht es Ihren Mitarbeitern?
- Wie ist die Strategie des Unternehmens?
- Wie können Sie als Team Dinge gemeinsam konkret anpacken und beeinflussen?
Zur Verdeutlichung: Stellen Sie sich vor, Sie fahren zum ersten Mal in der Deutschen Bahn. Ihr Zug ist deutlich verspätet. Sie besitzen keine DB Navigator App. Sie haben keine Ahnung von Anschlusszügen und Sie wissen auch nicht, ob Ihr Sparpreisticket in einem anderen Anschlusszug Gültigkeit besitzt. Und nun stellen Sie sich noch vor, Sie sind blind.
Was benötigen Sie jetzt vom Zugpersonal?
Mitarbeiter fühlen sich tatsächlich situativ blind, unwissend und ängstlich. Viele Mitarbeiter bekommen schnell Existenzängste, Frust und andere Unsicherheiten. Was würden Sie sich als Mitarbeiter unter diesen Umständen von Ihren Führungskräften erhoffen? Sie, als Chef, können der Fürsorger und Retter Ihrer Mitarbeiter sein – das meine ich genau so – oder ein Verstärker ihrer Ängste.
Wofür entscheiden Sie sich?
Ich wünsche Ihnen eine gute Wahl!
Ihr Markus Jotzo
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