Impuls 250. Neue Mitarbeiter einstellen: 5 typische Fehler bei der Personalauswahl

Auch in Zeiten von Corona stellen Unternehmen neue Mitarbeiter ein. Und der War for Talents wird weitergehen. Richtig gute Bewerber werden weiterhin rar sein. Nun stellen wir uns einmal vor, Sie sind wieder einmal in der glücklichen Lage: Ihr Bereich oder Ihr Unternehmen wächst. Oder aber Sie dürfen ausgeschiedene Mitarbeiter ersetzen. Ganz gleich ob intern oder extern, Sie interviewen potenzielle Bewerber. Trotz weniger Bewerber haben Sie einige gute Kandidaten zur Auswahl. Wie wählen Sie nun den passendsten Mitarbeiter aus?
Es gilt, fünf typische Fehler zu vermeiden, um die Basis zu legen für eine produktive Zukunft Ihres Teams oder Ihres Unternehmens.
Fehler 1: Die fachliche Qualifikation zu hoch bewerten
Einer meiner Kunden sucht ständig händeringend Elektriker. Der Markt ist seit Jahren wie leergefegt. Arbeitssuchende Elektriker gibt es quasi gar nicht. Dieser kluge Unternehmer macht aus der Not eine Tugend. Denn sein Unternehmen sucht keine arbeitssuchenden Elektriker mehr. Sein Unternehmen sucht offene Menschen, die veränderungsbereit sind und die Lust haben, Neues zu lernen. Ok, ein gewisses handwerkliches Geschick ist in dieser Branche von großem Vorteil.
Der Unternehmer sagt sich: „Das bisschen Elektrik bringe ich meinen neuen Mitarbeitern bei. Viel wichtiger sind mir die qualitativen Fähigkeiten in Bezug auf Lebens- und Arbeitseinstellung, gesunder Menschenverstand und wie potenzielle Bewerber an Probleme herantreten.“
Natürlich investiert dieser Unternehmer viel Zeit und Geld in die Ausbildung neuer Mitarbeiter. Die Einarbeitung ist intensiv. Doch dafür erntet er Mitarbeiter, die nicht nur die erforderlichen Kenntnisse haben, sondern auch die passende persönliche Einstellung.
Vielleicht kennen Sie den Spruch: „Man stellt wegen der fachlichen Kenntnisse ein und trennt sich von Mitarbeitern wegen der persönlichen Einstellung.“ Vermeiden Sie, dass der Spruch auch auf Sie zutrifft.
Der Tipp für Ihre Kandidatenauswahl lautet entsprechend: Bewerten Sie die persönliche Einstellung, Erfahrungen und Werte mehr als die fachlichen Qualifikationen. Klar, dass dann Ihre Bereitschaft essentiell ist, den Mitarbeiter nicht nur einzuarbeiten, sondern hier und dort auch auszubilden. Doch überlegen Sie mal zurück, wie viel von Ihrer Ausbildung benötigen Sie jeden Tag in Ihrem Job? Viele Fähigkeiten, die Sie und ich täglich intensiv nutzen, haben wir nicht in der Ausbildung, sondern vom Arbeitsleben selbst oder vom Leben gelernt.
Fehler 2: Fähigkeiten der Bewerber nur oberflächlich abprüfen
Eine Freundin auf Jobsuche erzählte mir kürzlich, dass ihr bei fast jeder Frage klar war, welche Antworten die Interviewer hören wollten. Dringen Sie daher tief in die Erfahrung des Bewerbers ein und lernen ihn anhand von Fallbeispielen kennen. Nutzen Sie dafür die STAR-Technik.
S = Situation, T = Task, A = Action, R = Result. Dieser Technik füge ich noch ein weiteres R hinzu für ‚Reflexion‘. Schauen wir uns diese Interview-Technik einmal an.
Wenn Sie prüfen wollen, wie veränderungsbereit Ihr Bewerber ist, dann fragen Sie ihn, in welcher Situation er schon einmal seine starke Veränderungsbereitschaft innerhalb seines Jobs unter Beweis gestellt hat.
S = Situation: Was war das für eine Situation?
T = Task: Was war exakt Ihre Aufgabe?
A = Action: Was haben Sie exakt getan?
R = Result: Was war das Ergebnis?
Das weitere R, dass ich der weitverbreiteten STAR-Methode hinzufüge, bedeutet ‚Reflexion‘. Dahinter verbergen sich Fragen wie „Was haben Sie dabei gelernt?“ und „Was würden Sie heute noch besser machen?“
Fragen Sie gern tiefer und tiefer hinein. Bohren Sie bei jeder einzelnen Frage von STAR-R tiefer. Wenn der Bewerber eine echte Geschichte und Erfahrung erzählt, so wird sich alles sinnvoll und konsistent anhören. Wenn er sich die Situation ausdenkt, so spüren Sie das unter Umständen an verstärktem Nachdenken und mangelnder Logik oder Konsistenz. Also zögern Sie nicht, mehrfach zu fragen und nutzen Sie dafür die STAR-Methode. Als XING Mitglied erhalten Sie über den Link zur STAR-Methode auch ein hilfreiches Dokument mit 101 Fragen für ein gutes Vorstellungsgespräch.
Fehler 3: Sie klonen sich
Am besten wäre es doch, Ihr neuer Mitarbeiter tickt so wie Sie, oder? Das würde Ihr Leben einfacher machen. Weniger Diskussionen, weniger Reibung, weniger verschenkte Zeit.
Eine weit verbreitete Gefahr bei Einstellungen ist, dass Chefs ähnlich tickende Bewerber zu Mitarbeitern machen. Klar kann Ihnen das nützen und Zeit sparen. Jemand, der anders tickt, ist anstrengender, kostet mehr Zeit und ist schwerer zu überzeugen. Nun dieser dritte Tipp lautet nicht, Querulanten einzustellen, die alles und jeden hinterfragen. Der Gedanke ist viel mehr, zu überlegen, welche Qualifikationen, welche Art des Denkens und des Verhaltens sie benötigen. Erstellen Sie am besten einen übersichtlichen Kriterienkatalog. Und bitte keine Floskeln – wie Teamfähigkeit und kommunikationsstark –, sondern je Kriterium mit einem Bespiel aus Ihrer täglichen Arbeit beschrieben. Dann prüfen sie jedes Kriterium ab. Nicht mit einer Ja-Nein-Frage, sondern am besten mit der der STAR-R-Methode aus Tipp 2 dieses Blogs. Diversität der Menschen bedeutet auch Diversität der Ideen. Mit einer Vielfalt an Mitarbeitertypen werden Sie kreativer und erfolgreicher agieren.
Ich persönlich finde diesen Tipp am schwierigsten anzuwenden. Denn uns Menschen sind häufig die Menschen sympathisch, die ähnlich ticken wie wir. Gehen Sie also ganz bewusst in das Gespräch und fragen Sie sich nach den Interviews: „Präferiere ich diesen Kandidaten, weil er so tickt wie ich?“
Fehler 4: Sie lassen sich von ähnlichen Erfahrungen, Hobbies oder Vorlieben täuschen
Ihr Kandidat hat auch ein Auslandsjahr absolviert im Studium? So wie Sie? Das macht ihn sympathisch, das zeugt von Engagement und Ehrgeiz, nicht wahr? Das hat ja auch Sie damals ins Ausland getrieben. Und mit diesem Gedanken geben Sie sich selbst die Bestätigung, engagiert und ehrgeizig zu sein. Ihr Bewerber hat auch Handball gespielt, das zeugt von Teamfähigkeit, oder? Nun, ich habe auch 15 Jahre lang Handball gespielt und bin sehr teamfähig. Doch wenn ich zurückdenke, dann hatten wir auch jahrelang Wolfgang in der Mannschaft, der damals mit seinen Lieblings-Müslikeksen und seiner zurückgezogenen Art doch etwas aus dem Teamgefüge herausfiel. Von Teamfähigkeit war bei Wolfgang wenig zu sehen – jedenfalls in unser Team passte er zwischenmenschlich nur mittelmäßig hinein. Sie haben einen Kandidaten, der auch in Ihrer heißgeliebten Studenteninitiative aktiv war? Ich war drei verrückte Jahre bei AIESEC extrem aktiv und liebte den Verein, der sich die Verständigung der Völker auf die Fahnen geschrieben hat. Bei meinen diversen Projekten habe ich Vieles gelernt, was mir die Professoren nicht beigebracht haben. Also, ein toller Verein, oder? Da muss doch auch jeder dort freiwillig engagierte ein besonderer Mensch sein, oder? Nun, schon möglich. Ich hatte aber auch einen Freund, der nur ein Semester lang bei AIESEC mitmachte – nur um das dann in seinen Lebenslauf schreiben zu können.
Wenn Sie nachfragen und tiefer hineinbohren, werden Sie erkennen, wie leidenschaftlich und teamaktiv ein Handballer diese Sportart wirklich lebte, sie werden erkennen, wie engagiert sich jemand bei seinen Projekten in einer Studentenvereinigung wirklich eingesetzt hat und was er wirklich als Erfahrung aus seinem Auslandssemester mitgebracht hat. WIE Ihr Bewerber seine Erfahrungen teilt, ist dabei unter Umständen entscheidender als WAS Ihr Bewerber erzählt.
Wie können Sie dennoch eine gewisse Objektivität wahren? Definieren Sie die benötigten Kern-Qualifikationen, bevor Sie auch nur einen einzigen Lebenslauf Ihrer Bewerber gesehen haben. Zunächst allein, dann ergänzt um Erkenntnisse der Personalabteilung und aus Ihrem Team. Und diese wichtigsten Punkte prüfen Sie in jedem Gespräch ab und vergeben Punkte auf einer Skala von 1-10. Lassen Sie die zweite Person, die beim Gespräch ebenfalls dabei ist, ebenso diese Punktzahl vergeben und tauschen Sie sich mit dieser Person erst nach Ihrer eigenen Einschätzung aus.
Fehler 5: Sich zu sehr auf andere verlassen bei der finalen Entscheidung
Wenn Sie einen Mitarbeiter aussuchen, dann arbeitet der zukünftig in Ihrem Team, nicht im Team der Personalabteilung. Also treffen SIE die finale Auswahl. Sie legen die Kriterien fest, was der neue Mitarbeiter können muss, nicht die Personalabteilung. Und wenn Sie hier unsicher sind, dann fragen Sie doch mal Ihre Mitarbeiter. In immer mehr Unternehmen sind die zukünftigen Kollegen in den Auswahlprozess involviert. Das geht von der Definition der Auswahlkriterien, der Vorselektion von Bewerbern, bis zu Bewerbungsgesprächen der Bewerber mit den zukünftigen Kollegen. Und da Ihre Kollegen mit diesem Kandidaten in Zukunft täglich zusammenarbeiten werden, kann das Einbeziehen Ihrer Mitarbeiter Ihnen Vorteile bringen. Mit Hilfe Ihrer Kollegen können Sie auch den Cultural Fit des Kandidaten in Ihr Team unter die Lupe nehmen.
Doch auch für Ihre Mitarbeiter gelten die typischen Fehler, insbesondere der Fehler, sich selbst zu klonen und sich von ähnlichen Erfahrungen oder Hobbies zu positiv beeinflussen zu lassen. Also lassen Sie Ihr Team die 5 typischen Fehler dieses Blogs ebenfalls wissen.
Gleichzeitig bleibt es dabei: Sie haben die Verantwortung. Ganz gleich, wie intensiv Sie sich von Ihren Mitarbeitern oder Ihrer Personalabteilung beraten lassen, Sie sind für die Sicherstellung der Eignung des Kandidaten verantwortlich. Also nehmen Sie diese Verantwortung an. Das könnte Sie sonst zeitlich und finanziell teuer zu stehen kommen.
Noch einmal die fünf typischen Fehler.
- Die menschliche Qualifikation zu gering einschätzen, die fachliche zu hoch.
- Die entscheidenden Aussagen des Bewerbers nicht genau genug abprüfen.
- Sich selbst klonen.
- Sich von ähnlichen Erfahrungen und ähnlichen Hobbies des Bewerbers positiv beeinflussen lassen.
- Sich auf die Personalabteilung oder Mitarbeiter mit ihrer Einschätzung verlassen.
Viel Erfolg bei der Auswahl Ihrer passenden Mitarbeiter! Wenn Sie Unterstützung bei diesem oder bei einem anderen Führungsthema benötigen, dann kontaktieren Sie mich per E-Mail service@markus-jotzo.com oder rufen mich an +49 40 60 59 29 56. Ich freue mich auf unseren Kontakt und Ihre Fragen.
PS: Und dass der Bewerber die Person ist, die im Gespräch mit Abstand am meisten spricht ist auch klar, oder? Ich habe da schon andere Geschichten von Führungskräften in meinen Seminaren gehört. Also, bereiten Sie Ihre Fragen sorgfältig vor und hören Sie gut zu. Bohren Sie tiefer nach. Das ist gleichzeitig ein super Training für jede Führungskraft für Ihr nächstes Mitarbeitergespräch. Da wäre es doch auch prima, wenn Sie einen Gesprächsanteil von 50% hätten, nicht wahr?
Viel Erfolg für Sie, richtig gut passende künftige Mitarbeiter zu finden!
Ihr Markus Jotzo
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