Impuls 258. I hate my boss Teil 2 – drei weitere Gründe, seine Chefin zu verlassen
Immer wieder frustrieren Führungskräfte ihre Mitarbeiter. Manchmal treiben sie Mitarbeiter in die innere und über die Zeit manchmal auch in die tatsächliche Kündigung. Dann ist die Motivation im Keller und mit ihr die Kreativität, die Ergebnisse und die Bereitschaft, eine Extrameile zu gehen. Die ersten drei durchaus verbreiteten ‚I-hate-my-boss-Gründe‘ haben Sie im „Führen wie ein Löwe“ Podcast Episode 71 oder Blog Impuls Nr. 256 bereits gehört oder gelesen. Was sind drei weitere – leider – sehr verbreitete Gründe.
Übrigens: Falls Sie sich fragen, warum ich diesen aggressiven Titel gewählt habe: Erstens will ich Aufmerksamkeit erzielen für das Thema. Zweitens glaube ich, dass diese Gründe wirklich zu Hass, Frust und extremem Stress führen können. Und drittens kann keine Führungskraft – auch ich nicht – ausschließen, immer wieder unbewusst negative Effekte mit dem eigenen Führungsstil zu bewirken. Das will aber keiner. Wir selbst nicht und erst recht nicht die Mitarbeiter.
I hate my boss: Grund 4 „Der Dieb“
Einer meiner Kunden aus Hannover, selbst Führungskraft, erzählte mir seine schlechte Erfahrung im von mir moderierten Feedback-für-den-Chef-Workshop. Sein Chef gibt gern mal die Ideen aus seinem Team als die eigenen aus. Die Führungskraft hatte vorgeschlagen, einen Prozess zu optimieren und so insgesamt Zeit zu sparen und Missverständnisse zu vermeiden. Sein Vorgesetzter verspottete den Vorschlag sehr abrupt: „Kommt gar nicht in Frage, wir lassen das so wie bisher!“ Die Führungskraft, die den Vorschlag gemacht hatte, fühlte sich von seinem Chef nicht nur runtergemacht, sondern auch demotiviert aufgrund der schroffen Ablehnung. Nicht schlecht staunte aber diese Führungskraft, als zwei Wochen später der Chef exakt diese Idee als seine tolle Verbesserungsidee im Bereichsmeeting vorstellte. Die Führungskraft, die sich die Idee ausgedacht hatte, war sprachlos – und mit ihm seine drei Mitarbeiter, die alle wussten, dass ihr Chef exakt diesen Vorschlag beim obersten Chef gemacht hatte.
Ideenklau ist leider an der Tagesordnung. Dass eine Chefin das tut, spricht nicht für sie. Woher kommt so etwas? Das kann die verschiedensten Gründe haben, die den Ideen-Dieben häufig gar nicht bewusst sind. Mangelndes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Angst vor besseren Mitarbeitern, die sie ersetzen könnten oder oder oder. Was tun? Ich vermute tatsächlich, dass manch eine Führungskraft inzwischen vergessen hat, dass diese Idee gar nicht von ihr selbst kam. Oder dass sie es verdrängt hat oder dass sie das als gar nicht so wichtig erachtet, wer diese Idee ursprünglich ersonnen hat. Selbstverständlich ist das keine Entschuldigung für die Chefin.
Bitte unter vier Augen
Was können Sie tun? Sprechen Sie mit Ihrem Chef unter vier Augen. Sprechen Sie Ihren Chef so darauf an, dass er potenziell sein Gesicht wahren kann. Zum Beispiel, indem Sie sagen, dass das Ihr Chef vielleicht vergessen hat, das diese Idee von Ihnen stammt. Das erfordert Mut, Kraft und Rückgrat. Wenn Sie Angst haben vor zu großen negativen Konsequenzen, dann lassen Sie das Gespräch. Doch dann ist es wohl Zeit, sich einen neuen Chef zu suchen.
Mut-Muskel trainieren, statt den Chef zu hassen
Der stärkere Weg allerdings ist das direkte Gespräch bei Ihrer Chefin. Sie stärken so Ihren eigenen Konfliktlösungs-Muskel. Sie kennen das vermutlich: Mut ist ein Muskel. Trainieren Sie ihn, wird er stärker. Trainieren Sie Ihren Mut-Muskel nicht, wird er immer schlaffer.
Und sollten Sie als Führungskraft kreative Mitarbeiterinnen mit guten Ideen haben, nutzen Sie die Ideen der Mitarbeiterinnen. Bedanken Sie sich öffentlich für die tolle Idee, statt diese zu klauen und als eigene auszugeben. Wenn Sie die Ideen Ihrer Mitarbeiterinnen realisieren, dann bekommen Sie als Chefin auch immer die Lorbeeren für gute Ergebnisse – egal, von wem die Idee kam. Denn wenn es Ihnen als Chefin gelingt ein kreatives Umfeld zu erschaffen, in dem sich die Mitarbeiterinnen voller Engagement einbringen, dann ist das eben auch Ihr Erfolg.
I hate my boss: Grund 5 „Geringes Interesse am Lernen der Mitarbeiter“
Immer wieder passiert es in meinen Trainings, dass Teilnehmer nicht zum Training erscheinen. Es ist einfach zu viel los im Job. Der Platz des Teilnehmers verfällt dann meistens. Der Grund ist manchmal eine plötzliche Krankheit, häufig aber der Arbeitsberg auf dem Schreibtisch. Kurzfristige Aspekte sind dann also wichtiger als langfristige – wie in diesem Fall die Weiterbildung eines Mitarbeiters.
Die Aufgabe einer Führungskraft ist es, den Stellenwert von Weiterbildung hoch aufzuhängen. Das ist ein Investment in die Mitarbeitenden, ein Investment in Wertschätzung und ein Investment in klares Prioritäten setzen für Lernen und Wachstum. Natürlich ist eine Absage ein situativ sinnvoller Weg, um kurzfristige Ergebnisse zu erzielen. Aber stärker wäre eine entsprechende Priorisierung aller Aufgaben, um Lernen zu ermöglichen. Manch ein Mitarbeiter muss nach einer solchen Absage komplett auf die Weiterbildung verzichten, manch einer hat Glück und kann das Seminar beim nächsten Mal nachholen.
Welche Priorität setzt Ihr Chef auf Ihr Lernen? Zeigt er ein echtes Interesse an Ihrer Entwicklung? Gibt Ihr Chef Ihnen regelmäßig Feedback und nimmt sich Zeit für Ihr Lernen? Als Angestellter im Marketing bei Unilever hab ich einmal – unbewusst – mehrere Kommunikationsfehler mit meinen Kollegen im Werk gemacht. Meine Kollegen waren ‚not amused‘, da mein Ehrgeiz dazu führte, dass diese sich zu sehr unter Druck gesetzt fühlten. Die krasse Folge war damals: Die Kollegen wollten nicht mehr mit mir sprechen! Sie wollten überhaupt nicht mehr mit mir sprechen! Ich war baff, da ich anfangs überhaupt nicht nachvollziehen konnte, was das Problem war. Mein Chef hat mir ein Coaching ermöglicht, dass mir die Augen geöffnet hat. Der Entwicklungsleiter und ich waren einfach grundverschiedene Typen, die anders vorgingen und anders kommunizierten. Vier Monate später sagte der Entwicklungsleiter zu meinem Chef, dass er sehr froh war über meine positive Entwicklung. Für mich war das extrem lehrreich und hat mir in vielerlei Hinsicht geholfen.
Wie sehr interessiert sich Ihre Chefin für Ihr Lernen? Gerade in der heutigen Zeit ist Lernen einer der Erfolgsfaktoren. Oder ist Ihre Chefin einfach froh, wenn Sie Ihren Job ‚ok‘ machen?
Und natürlich die Frage an Sie als Führungskraft: Wie sehr interessieren Sie sich für das Lernen Ihrer Mitarbeiter? Wenn Sie das geschickt tun, dann ernten Sie eine Extra-Portion Engagement, höhere Mitarbeiterbindung an Sie als Führungskraft und machen Ihre Mitarbeiter veränderungsbereiter. Eine konkrete Umsetzungsmethode lesen Sie im Abschlusskapitel, Kapitel 7, in meinem neuen Buch „Uns kann keiner was! Wie Sie Ihrem Team Sicherheit geben, wenn nichts mehr sicher ist“. Überall, wo’s Bücher gibt.
I hate my boss: Grund 6 „Die Karotte vorhalten“
Hatten Sie auch schon Chefs, die Gehaltserhöhungen, Beförderungen oder eine spannende neue Herausforderung versprochen haben und am Ende nichts dabei rum kam? Was für eine merkwürdige Masche ist das? Es ist immer ungünstig, etwas zu versprechen, was man nicht halten kann oder was nicht im eigenen Einflussbereich liegt. Dieses Führungsverhalten ist falsch, nicht selbstbewusst und – mit Verlaub – dumm. Natürlich wollen Menschen befördert werden. Natürlich wollen Menschen mehr Gehalt. Und viele Mitarbeiterinnen wollen mehr Verantwortung in Ihrer Arbeit übernehmen. Aber wenn die Chefin nun etwas verspricht, was sie am Ende gar nicht halten kann, dann geht das nach hinten los. Achten Sie also darauf, dass Sie im Dialog mit Ihren Mitarbeitern niemals etwas versprechen oder zusagen, was Sie selbst nicht entscheiden. Ja, Sie können sagen, dass Sie sich für etwas einsetzen. Aber teilen Sie dann auch gleich mit, das das funktionieren kann aber eben nicht funktionieren muss.
Spielen Sie also mit offenen Karten und beziehen Sie den Mitarbeiter ein in Ihre Gedanken. Denn vielleicht wollen Sie einen Mitarbeiter belohnen mit der Verantwortung für das wichtigste Projekt im Team. „Das wäre eine Riesenanerkennung!“, denken Sie vielleicht. Und dann kommt heraus, dass der Mitarbeiter gerade etwas pünktlicher nach Hause gehen möchte, da er in einem halben Jahr zum ersten Mal Vater wird.
Führen Sie also einen offenen Dialog über Möglichkeiten der Entwicklung in Gehalt, Aufgabengestaltung oder Weiterbildungsoptionen. Besprechen Sie die konkreten Interessen Ihres Mitarbeiters. Was will er? Was findet er motivierend und spannend? Und was sagt ihm gar nicht zu? Stellen Sie aber nichts in Aussicht oder versprechen sogar etwas, was Sie nicht selbst entscheiden.
Nutzen Sie diese sechs ‚I hate my boss Gründe‘ für Ihre Reflexion. Ich bin mir sicher, dass ich selbst schon mehrere dieser Fehler gemacht habe. Haben Sie schon einmal so etwas gemacht – vielleicht unbewusst oder ohne etwas Böses zu wollen? Was für ein Arbeitsumfeld möchten Sie gern gestalten? Welches Erbe möchten Sie gern hinterlassen? Was sollen Ihre Mitarbeiter über Sie sagen, wenn Sie nicht dabei sind oder nicht mehr die Führungskraft dieses Teams sind? Wenn Sie eigene Fehler ausschließen oder minimieren möchten, dann empfehle ich Ihnen, sich gezielt Feedback von Ihren Mitarbeitern einzuholen. In diesem Video lernen Sie exakt, wie das geht. Und sollten Sie einen Moderator für dieses Team-Gespräch benötigen, dann stehe ich Ihnen gern zur Verfügung.
Und sollten Sie jemanden kennen der diese Effekte selbst – unbewusst – bewirkt oder erfährt, dann empfehlen Sie dieser Person diesen Artikel.
Ihr Image als Führungskraft, die Lust- und Leistungsatmosphäre gestalten Sie in Ihrem Team. Jeden Tag. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und eine faire, wertschätzende Arbeitsatmosphäre!
Ihr Markus Jotzo
Wenn Sie Unterstützung bei Führungsthemen benötigen, dann schreiben Sie mich an unter service@markus-jotzo.com oder rufen mich an: +49 40 60 59 29 56.
Alle meine Vorträge, Trainings und Coachings finden auf Wunsch auch online statt.
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