Vor einigen Monaten hielt ich meinen Vortrag „Loslassen für Führungskräfte“ vor Beamten in Nordrhein-Westfalen. 130 Führungskräfte, die lernen wollten, Ihre Flut an Arbeit mit mehr Effizienz und Effektivität zu bewältigen. Mein Buch „Loslassen für Führungskräfte“ ist bereits in der zweiten überarbeiteten Auflage erschienen. Vorträge dieser Art halte ich ständig, also wird das Ganze für mich ein Homerun, oder? Dieser Vortrag ist meine Chance, charismatisch, vorbildlich und inspirierend zu wirken.
Eigentlich.
Wenn da nicht eine Stimme in meinem Kopf gewesen wäre… Mit dem Entscheider für diesen Auftrag hatte ich vorab nicht gesprochen und als wir uns direkt vor dem Vortrag kennenlernten war unser Kontakt sehr kühl.
Ich dachte sofort an das Hin und Her vor der Buchung als es darum ging, ob der Kunde mich überhaupt buchen sollte oder nicht. Ich dachte, der Entscheider sei bestimmt immer noch unsicher und vielleicht sogar unzufrieden mit seiner Entscheidung, mich für den Abschlussvortrag gebucht zu haben.
Kennen Sie das auch? Alles spricht für Sie: Sie haben Erfahrung – viel Erfahrung, Sie sind genau der Richtige für diese Aufgabe. Viele Argumente sprechen für Sie. Nur ein einziges spricht gegen Sie. Und dieses eine bauschen Sie nun auf. Sie machen es größer, denken immer wieder darüber nach und geben diesem Gegenargument Macht.
Die Extremform dieser Machtübertragung nennt sich Impostor-Syndrom und wurde bereits in den 70er Jahren von Professoren der Georgia State University erforscht. Menschen, die an dem Impostor-Syndrom leiden, fürchten, dass Sie etwas nicht durch Können, sondern nur durch Glück oder Mogelei schaffen, obwohl sie für die Aufgabe sehr gut qualifiziert sind. Das ist zwar auf der einen Seite anspornend und treibt Menschen zu hohen Leistungen an. Auf der anderen Seite nimmt dieses Denken einem Menschen jede Chance auf einen charismatischen Auftritt. Schätzungsweise 70 Prozent der Bevölkerung leidet hin und wieder unter dem Impostor-Syndrom.
Und nun auch ich.
Ich weiß noch, dass ich dachte, ich muss mich besonders anstrengen, denn vor mir sitzt ein strenger und steifer Auftraggeber in der Mitte in Reihe eins. In den Momenten, in denen ich das dachte, war meine Körpersprache und Mimik sicher nicht entspannt, nicht souverän und nicht charismatisch. Nach den ersten Minuten, einigen Lachern und einem guten Start, begann ich, etwas anderes zu denken: Ich entschied mich, zu denken: „Ich spreche für 130 anwesende Führungskräfte und Ihren Praxisnutzen aus meinem Vortrag. Ich überzeuge diesen Auftraggeber durch ihr Lachen und ihre Begeisterung davon, dass meine Buchung seine beste Idee war.“
Und das hat dann gut funktioniert.
Physische Gründe für eine schwache oder sogar negative Ausstrahlung können Schwitzen, Hunger, unbequeme Kleidung oder blendendes Licht sein.
Am besten Sie vermeiden diese Störfaktoren – wenn Sie so vorausschauend planen können. Wenn Störfaktoren, wie z.B. Schwitzen, dennoch auftauchen, so lautet die Formel: 1. erkennen, dass dies ein Störfaktor ist. 2. bei Bedarf ansprechen und erklären – das kann dann sogar wieder souverän und stark wirken – und 3. idealerweise ausschalten. Wenn Sie nicht jeden Störfaktor offen ansprechen wollen, ist das natürlich Ihre Entscheidung, dann tun Sie das auch nicht.
Fokussieren Sie aber unbedingt Ihr Ziel und Ihr benötigtes Zielverhalten, um in Ihrem Vortrag, in Ihrer Verhandlung oder in Ihrem Meeting einen starken Eindruck zu hinterlassen. Ihr Gehirn kann immer nur einen Gedanken gleichzeitig denken. Also fokussieren Sie solche Gedanken, die Sie Ihrem Ziel näher bringen. Damit steigern Sie Ihre positive, starke und charismatische Ausstrahlung.
Mentale Gründe wiegen häufig schwerer als die physischen. Diese sind mangelndes Selbstvertrauen, zum Beispiel durch wenig Erfahrung oder schlechte Vorbereitung. Oder aber ein starker innerer Kritiker, der Sie selbst immer wieder schlecht macht. Denn was ist denn schon wirklich sicher? Eine gewisse Unsicherheit wird es immer geben. Und manch einer fokussiert diese Unsicherheit, statt großartige Möglichkeiten zu sehen.
Evolutionstechnisch macht dieses Verhalten, möglichen Gefahren besondere Beachtung zu schenken, sehr viel Sinn. Denn unser Gehirn ist darauf programmiert, unser Überleben sicher zu stellen. Daher neigt manch einer dazu, sämtliche Unsicherheiten ausschalten zu wollen, bevor er überhaupt handelt.
Unser Überleben ist heute aber gesichert.
Die Techniken zu mehr Erfolg und charismatischer Wirkung sind einfach – wenn Sie sich entscheiden, diese wirklich anzuwenden. Eine meiner Coachees erkannte, dass sie eine gute Vorbereitung von nur wenigen Minuten vor einem Meeting konzentrierter, selbstsicherer und erfolgreicher macht. Was für eine Erkenntnis! Das besondere: Diese Führungskraft handelt auch entsprechend! Sie hat gelernt, sich vor einem wichtigen Gespräch erstens mit einigen wenigen aber entscheidenden Notizen für ein paar Minuten vorzubereiten und direkt vor dem Meeting für nur eine Minute innezuhalten und alles wichtige noch einmal durchzugehen. Eine einfache Maßnahme. Im Führungskräftetraining höre ich immer wieder Führungskräfte sagen ‚Vorbereitung ist ein großer Erfolgsfaktor’. Aber es gilt eben auch, diese Minuten tatsächlich in die Vorbereitung zu investieren. Wissen und nicht tun, ist wie nicht wissen.
Vorbereitung macht selbstsicher. Selbstsicher macht charismatisch.
Aber was tun Sie, wenn Sie unsichere Gedanken hegen und Ihre Gedanken immer wieder um mögliche negative Schreckensszenarien kreisen?
Anbei fünf konkrete Wege, wie Sie sich aus der Negativspirale befreien und wieder selbstbewusst und charismatisch wirken. Prüfen Sie doch mal, welche der fünf Techniken für Sie passen könnte.
Machen Sie sich klar, z.B. bei einer gewissen mentalen Unsicherheit: Sie sind nicht der Einzige, dem dies widerfährt. Rufen Sie sich ins Gedächtnis, dass viele andere – auch berühmte, erfolgreiche Menschen – ähnliches schon durchgemacht und gemeistert haben. Alle haben überlebt.
Stellen Sie sich vor, dass das Leben Ihnen diese herausfordernde Situation gibt, um eine noch wichtigere, noch größere Herausforderung zu meistern, die noch kommen wird. Für diese zukünftige Herausforderung ist das heute Ihr Training. Also, ist die heutige – unschöne – Erfahrung äußerst wichtig, um die demnächst kommende Situation zu bewältigen.
Machen Sie sich klar, dass unser Gehirn – aus dem urzeitlichen Drang zu überleben gespeist – Negativszenarien ins Gedächtnis ruft, um uns auf das Schlimmste vorzubereiten und unser Leben zu schützen. Aber diese Lebensgefahr existiert nicht mehr und unsere erdachten Negativszenarien haben so gar nichts mit der Realität zu tun. Betrachten Sie Ihre eigenen Gedanken wie ein Wissenschaftler: „Oh, was ist das denn für ein kreativer Gedanke, der da gerade entstanden ist. Ich bin aber auch ein kreatives Köpfchen!“
Unser Gehirn unterscheidet nicht zwischen dem tatsächlichen Erleben eines unschönen Ereignisses und der reinen Vorstellung. In beiden Fällen geht es uns schlecht.
Also: Denken Sie doch etwas Positives. Und geben Sie Ihrem Gehirn positive Nahrung. Immer wieder. Jeder Hochspringer geht vor seinem Sprung seinen erfolgreichen Anlauf im Kopf durch, um seinen Körper auf einen gewaltigen, hohen Sprung vorzubereiten. Auf diese Weise bringen Sportler ihren Körper in eine potente Ausgangsposition. Das können Sportler tun, und das können auch Sie tun.
Je häufiger Sie das tun, desto besser wird es Ihnen gelingen.
Interpretieren Sie gnadenlos die jeweilige Situation positiv um.
Zum Beispiel: „Meine Verspätung ist super, da freuen sich die anderen, die auch knapp dran sind und ein paar Minuten mehr Zeit haben, um etwas anderes noch abzuschließen.“ Eine ernstgemeinte Entschuldigung für die Verspätung selbst ist selbstverständlich trotzdem angebracht.
Oder: „Mein erhöhter Herzschlag vor diesem Vortrag ist super! Mein Herz ist stark und durchströmt mein Gehirn mit sauerstoffgetanktem Blut für volle Konzentration.“
Oder: „Der Kunde hat gerade die Augenbrauen zusammengezogen. Er konzentriert sich. Er ist ganz fasziniert von meiner Lösung und will daher kein einziges Wort verpassen.“
Und: Bitte bleiben Sie auf dem Teppich! Wenn Sie schon sehr viel Selbstbewusstsein ausstrahlen, könnten Sie sonst bei dieser Technik arrogant wirken. Wenn Sie jemand kritisiert, dann nehmen Sie diese Kritik selbstverständlich ernst.
Dieser fünfte Ansatz „Alles super“ erscheint vielleicht etwas großkotzig, gibt aber Kraft. Ich hab’ das in den letzten Tagen mal ausprobiert. Sie können damit nur lächeln und sich stark fühlen. Wenn Sie das nächste Mal durch’s Büro gehen und sich vorstellen, was die anderen alles Positives über Sie denken, wird Ihre Ausstrahlung positiver, freudiger und charismatischer sein.
Denken Sie also groß und glauben Sie es sich selbst. Sie wissen ja, unser Gehirn kann zwischen Vorstellung und Realität nicht unterscheiden. Also entscheiden Sie sich bewusst für positive Gedanken. Üben Sie jeden Tag, genießen Sie Ihre starken Gedanken und Ihr eigenes Lächeln.
Mein Tipp: Wählen Sie eine dieser fünf Techniken aus und üben Sie diese regelmäßig in den kommenden Tagen.
Wem diese Tipps noch nicht genug sind, findet weitere Ideen im Buch von Olivia Fox Cabane „Das Charisma-Geheimnis“.
Ich wünsche Ihnen ein charismatisches Auftreten in Verhandlungen und anderen herausfordernden Gesprächssituationen, in Ihren Vorträgen und Präsentationen und jeden Tag inmitten Ihrer Kollegen, Kunden und Mitmenschen.
Genießen Sie Ihre Ausstrahlung und Ihr Charisma!
Ihr Markus Jotzo
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