Impuls 297. Angst ist gut.
Gestern, ungefähr nachmittags um halb drei. Ich habe ich Angst. Richtige Angst. Ich bin verzweifelt, weiß nicht, wie ich aus der Situation herauskomme. Ich sitze da und weiß nicht weiter. Nur wenn ich eine Lösung, meine Lösung finde, kann ich da herauskommen.
Jeder ist immer mal wieder ängstlich oder unsicher
Zugegeben, so was passiert mir nicht so oft.
Und ich wünsche es niemandem.
Aber vielleicht kennst Du das auch, dass Du ein Thema hast, für das Du einfach keine Lösung hast. Du denkst darüber nach, aber findest keine Lösung. Vielleicht denkst Du sogar Gedanken wie „Das schaffe ich nie!“ oder „Wie soll das denn nur gehen? Das ist unmöglich!“
Das weißt Du auch, das sind keine guten, starken Gedanken, aber manchmal denken wir sie trotzdem. Diese Angst oder Unsicherheit ist nicht schön. Aber gehört manchmal dazu…
Was ist mir denn gestern passiert?
Ich war zum ersten Mal Klettern mit Helm und Sicherungsgurten an einem echten Felsen am Dachstein in Österreich. Okay, im Hochseilgarten hatte ich das auch schon oft gemacht, das war auch schon mal anstrengend, ins Schwitzen bin ich dabei auch oft gekommen, aber jedes Mal bin ich im Hochseilgarten flott durchgekommen.
Aber gestern beim Klettern an einem echten Felsen war es anders.
Ich war körperlich und mental erschöpft, weil wir schon mehrere Male ca. 10-15 Höhenmeter an einer quasi senkrechten Wand hochgeklettert waren. Das ging für mich schon ans Eingemachte. Mein Freund Lutz würde sagen: es war sau-anstrengend.
Was genau war meine Angst und meine Herausforderung?
Die nächsten zwei Höhenmeter durfte ich am Felsen um eine Ecke zu klettern. Ich konnte nicht sehen, wohin ich hinter der Ecke treten konnte. Ich durfte zuerst hochklettern, mich dort leicht um die Ecke des Felsens beugen und dort dann einen neuen Halt für meinen Fuß finden.
Ich fand das gar nicht witzig. Gut, dass wir zu dritt unterwegs waren. Die anderen beiden kannten diesen Klettersteig schon. Für mich war es der erste richtige Klettersteig überhaupt. Da ich grundsätzlich Herausforderungen liebe, ging ich als erster. Aber an der beschriebenen Ecke war ich mit meinem Latein am Ende.
Wie besiegen wir unsere Angst oder Unsicherheit?
Schritt 1 – Innehalten.
Innehalten. Runterkommen. Nachdenken „Was genau ist denn meine Herausforderung? Was exakt liegt im Argen?“ und „Was genau ist mein Ziel? Wohin will ich?“
Schritt 2 – Kraft und Fokus.
Kraft sammeln. Ausgeruht sein. Zum Beispiel morgens als erstes mit 100% Fokus auf diese eine Aufgabe. Nach 7,5 Stunden gutem Schlaf. Nach einem gesunden Frühstück mit guten Lebensmitteln. Und dann mit dieser guten Kraft und Fokus die innere Bereitschaft und – idealerweise – Lust spüren.
Schritt 3 – Positive Erfahrungen bewusst machen.
An eigene positive Erfahrungen zurückdenken. Sich an frühere Erfolge erinnern. Nach dem Motto „New York, New York – if I can make it there, I can make it anywhere.” Das gibt gute mentale Kraft und Zuversicht, wenn wir uns auf diese Weise positiv aufladen mit guten starken Gedanken aus der eigenen Vergangenheit.
Schritt 4 – Das eigene Ego parken.
Das eigene Ego parken und andere um Unterstützung bitten. Einen Coach. Eine Person, die damit bereits Erfahrung hat. Oder eine Person, die einfach Lebenserfahrung hat. Und dann von diesen Lernerfahrungen profitieren und es etwas einfacher haben.
Schritt 5 – Machen.
Schritt für Schritt die Sache anpacken und MACHEN.
Ganz einfach – eigentlich. Oder? In der Theorie ja. Und in der Praxis? Geht es genauso.
Was habe ich gestern getan?
Schritt 1. Innehalten. Hab‘ ich gemacht. Ich wusste ja ohnehin nicht, wie ich es schaffen konnte.
Schritt 2. Kraft sammeln. Hab‘ ich gemacht. Hab‘ mich erstmal hingesetzt und gewartet, bis die anderen beiden aufholen.
Schritt 3. An frühere Erfolge denken. Ist mir nicht gelungen. Ich hatte auf dieser Klettertour zwar schon Hindernisse überwunden, die ich in meinem Leben nie zuvor überwunden hatte, aber dennoch half mir das nicht weiter. Und ich konnte auch keinen klaren Gedanken über frühere Erfolge sammeln.
Was habe ich getan? Ich hab‘ Schritt 4 umgesetzt. Hab‘ eine andere Kletterin vorgelassen. Die hatte diese Ecke schon zwei Mal im vergangenen Jahr überwunden und war völlig angstfrei. Ich habe also mein Ego geparkt und hab die 14-jährige Tochter meiner Freundin vorgelassen. Jetzt denkst Du vielleicht „Eine 14-jähriges Mädchen kann etwas, vor dem ich solche Angst hatte?“ Ja, genau so war es.
Das eigene Ego parken und das Know-how anderer nutzen – so smart
Und wenn ich hier davon spreche, da eigene Ego zu parken, dann meine ich das auch. Wie oft haben Deine Mitarbeitenden eine bessere Idee als Du? Wie oft ist Dein Lösungsansatz nicht ideal und jemand anders trägt zur Verbesserung Deiner Lösung bei? Dauernd ist das so.
Ich bin davon überzeugt, dass Mehrhirndenken uns als Individuen erfolgreicher macht. Jeden Tag. Sei es durch Unterstützung durch unsere Mitarbeitenden, unsere Kollegen oder Freunde. Oder auch unsere Kinder. Die können einfach immer wieder Dinge, die wir nicht können. Meine Tochter macht einen Handstand an der Wand. Okay, dass schaffe ich auch. Ich kann den auch 30 oder auch mal 60 Sekunden halten. Aber meine Tochter macht einen Handstand und lässt sich dann vornüber in die Brücke fallen. Das kann ich nicht.
Wir werden zwar erfahrener mit dem Alter. Wir können unsere wachsenden Erfahrungen einsetzen und cleverer und intelligenter agieren. Die intelligenteste Vorgehensweise für mich ist es aber die Kreativität anderer Menschen für das Lösen von Problemen zu nutzen. Und wenn das die Kreativität von Kindern ist? Von meinem Coach? Oder von meinen Mitarbeitern? Ist mir völlig gleich. Wenn es mich weiterbringt, nehme ich die Ideen anderer gern an. Da hängt mein Ego ganz, ganz niedrig.
Inspiration im Vortrag „Loslassen für Führungskräfte“
Aus meinen Vorträgen zum Thema „Loslassen für Führungskräfte“ gehen Führungskräfte immer wieder inspiriert raus. Ich hör‘ dann im anschließenden Gespräch Aussagen wie „Dieses eine neue Projekt, das übergebe ich komplett meinem Mitarbeiter, das kann der auch schaffen.“ Ich verlinke hier einen Teil meines Vortrags zum Thema Loslassen.
Wer weitere Inspirationen für’s Ego parken wünscht, der wird hier fündig. Wenn es Dir hilft: Du brauchst ja niemandem erzählen, dass Du die Idee von jemandem anderen bekommen hast.
Wie ging‘s weiter mit mir und meiner Angst am Klettersteig?
Catharina hatte es mir vorgemacht und geschafft. Sie hatte die mir Angst einflößende Passage am Klettersteig souverän überwunden. Das war mein Startschuss. Jetzt hatte ich es mit eigenen Augen gesehen, dass es so einfach geht. Ich gehe also los. Ich klettere einen guten Meter nach oben und sichere mich dort am nächsthöheren Abschnitt mit meiner Sicherung. Da kann ich um die Ecke gehen und sehe … einen Stahlschritt in Reichweite für meinen linken Fuß. Aus meiner Angst wird innerhalb eines Augenblicks Kletterfreude. Ich spüre meine Muskeln, meinen Körper und meine Kraft. Und bin wieder im Flow.
Das Lächeln bleibt nach dieser Passage noch lange auf meinem Gesicht. Ich hab‘ meine Angst überwunden und gelernt. Das tut so gut.
Scheitern gehört dazu
In meinen Vorträgen erzähle ich immer wieder von dem einen oder anderen Scheitern in meinem Leben. Ich drücke das dann so aus: „Im Scheitern ist das Lernen am intensivsten.“ Und so war es auch bei mir gestern beim Klettern. Ich war temporär gescheitert und fühlte mich in meiner Angst gefangen. Auch drei, vier Minuten Ausruhen gaben mir keinen Perspektivwechsel. Den Perspektivwechsel gab mir erst die 14-jährige Catharina mit Ihrem Vorbild.
Meine nächste Herausforderung habe ich bereits im Kopf. Dafür überlege ich mir jetzt, wer mir am besten helfen kann. Was ich selbst tun kann und was ich dann lieber anderen und ihrer Expertise überlasse.
Jede Hürde im Leben ist eine Chance zu wachsen.
Was ist Deine nächste Hürde, die Du tatkräftig anpackst?
Ich wünsche Dir viele Hürden und viel bewusstes Lernen, damit Deine nächsten Hürden dann ein Stück leichter zu meistern sind für Dich!
Viel Erfolg! Viel Scheitern! Und viel Wachstum!
Dein Markus Jotzo
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