Impuls 182. Hörig ausführen oder kritisch mitdenken?
Ich bin Jahrgang 1968.
Damals, als ich geboren wurde, ging es ab in Europa und der Welt.
Es gab viele, viele Menschen, die sich auflehnten.
Es gab viele, die mitgestalten wollten.
Es gab viele, die sich nichts aus Tradition und den dominierenden Autoritäten machten.
Es ist Sonntag Abend der Frankfurter Buchmesse. Ich fahre mit dem Zug zum nächsten Kunden nach Berlin. Neben mir sitzt der Übersetzer, der die Rede des Franzosen Didier Eribon live übersetzt hat. Spannend. Didier Eribon ist einer von diesen Widersprechern, diesen Unbequemen und Aufbegehrern , die dem französischen Staatspräsidenten Macron die Arbeit schwer machen. Und das ist gut so. Denn wenn wir alles einfach so hinnehmen – ob man die aktuelle französische Regierungspolitik nun mag oder nicht -, dann werden unsere Ergebnisse nicht so gut, wie sie sein könnten. Das gilt für jeden einzelnen von uns, das gilt für Unternehmen und das gilt auch für unsere Familien.
Kürzlich erhielt ich ein kritisches Feedback eines Zuhörers. Direkt. Schmerzhaft. So dass ich heute immer noch darüber nachdenke.
Und auch das ist gut so! (Das kann ich jetzt nach dem einigermaßen-Verdauen sagen.) Denn es bringt mich dazu, weiterzuarbeiten, weiter zu denken und nicht stehen zu bleiben und mich mit dem zufrieden geben, was ist.
Klappe halten oder mitdiskutieren?
Wie ticken wir Menschen grundsätzlich?
Lehnen wir uns gegen Autoritäten auf?
Oder sind wir am liebsten gehorsam?
Viele von Ihnen kennen sicherlich die Milgram-Experimente. Wenn nicht unter diesem Namen dann doch den Versuchsansatz, bei dem durchschnittliche Bürger in einem Test anderen durchschnittlichen Bürgern – einer ihnen nicht sichtbaren Person – tödliche Stromstöße zufügten. Allerdings nur theoretisch, denn die andere Versuchsperson im Nebenraum war nur ein Schauspieler, der seine Schmerzen durch Schreie vortäuschte.
Die passende Leseempfehlung dazu: Robert Cialdini, Die Psychologie des Überzeugens, Kapitel 6.: Autorität. Cialdini ist ohnehin ein Muss-Lesebuch für jeden Menschen auf diesem Planeten.
Fazit diverser Experimente in Bezug auf Autoritäten: Wir Menschen lassen uns von Kleidung, Titeln und Autos beeinflussen. Nun, das ist noch nichts Besonderes. Das Besondere ist, dass das Ausmaß der Beeinflussung gigantisch viel größer ist als selbst die Forscher sich dies vorstellt hatten.
Hörigkeit auch im Betrieb?
Heißt das, dass auch in unseren Betrieben die Mitarbeiter Ihren Führungskräften hörig sind?
Die Antwort lautet ganz klar: Ja!
Nun, „hörig“ ist sicher zu viel gesagt, aber sowohl Mitarbeiter als auch Führungskräfte hinterfragen viel zu wenig, die Entscheidungen und Gedankengänge Ihrer Chefs.
Die Folge: Es gibt Unzufriedenheit an allen Orten, „komische Entscheidungen“ werden lustlos umgesetzt, weil ein intensiver Austausch zu oft ausbleibt.
Wir Menschen sind fähig, fast jedes WIE zu ertragen, wenn es ein WARUM gibt.
Dieses Warum oder diese Details, die einer Entscheidung zu Grunde liegen, werden aber häufig gar nicht zu Tage gefördert.
Chefs denken: „Das ist doch klar, das haben wir doch etliche Male hin und her diskutiert.“ – in Gremien, in denen die Mitarbeiter nicht anwesend waren.
Detail-Erklärversuche – Fehlanzeige!
Und die Mitarbeiter denken: „Das bringt ja eh nix. Was die da oben sich da schon wieder für einen Quark ausgedacht haben …“
Kritisches Nachfragen – Fehlanzeige!
„Meine Tür ist immer offen“ oder eine funktionierende Lösung
Sowohl Chefs als auch Mitarbeiter könnten hier Teil der Lösung sein, statt nur über das Problem zu schimpfen. Jeder kann hartnäckig nachfragen, nachbohren und die eigene Unzufriedenheit als Motor für eine Nachfrageinitiative nutzen.
Und jeder Chef hat die Aufgabe, pro-aktiv auf seine Mitarbeiter zuzugehen und sich zu informieren, wie es Ihnen geht und dann auch entsprechend zu handeln. Mit einer passenden Informationspolitik, mit Einzel- und Team-Gesprächen – anders ausgedrückt mit aktiver Führung. Die Mitarbeiter erledigen die tägliche Arbeit und diese Mitarbeiter benötigen Zeit. Zeit vom Chef, Aufmerksamkeit, Zuhören und Geduld. Und nicht nur das wöchentliche Team-Meeting und das die Formalitäten befriedigende Jahresmitarbeitergespräch. Woher kommen denn die Werte der Gallup-Studie? Die meisten der deutschen Arbeitnehmer sind unzufrieden. Und das allerschlimmste: Die wenigsten ändern etwas!
Das finde ich schade. Sehr schade. Und traurig.
Mögliche Lösungen:
Jeder einzelne könnte so lange nachfragen, bis er zufriedenstellende Antworten bekommt. Schon in der Sesamstraße haben wir das gelernt. Wer nicht fragt, bleibt dumm.
Zum anderen hat jeder Chef die Pflicht, für das Wohlergehen der Mitarbeiter zu sorgen. Und dies hat einen betriebswirtschaftlichen Grund – könnten die Kritiker nun sagen. Aber es gibt noch eine weitere Regel, die für alle Führungskräfte gilt: Wer Menschen führt, sollte Menschen mögen. Also, kümmern Sie sich um Ihre Mannschaft!
Wie kommen Sie dieser Pflicht nach, liebe Blog-lesende Führungskraft?
Revolution, oder was?
Und nun? Wir sollen also unseren Mund aufmachen. Sprechenden Menschen kann geholfen werden, heißt es so schön. Wie machen wir das nun?
Falsch wäre aufgrund der Erkenntnis alles zu hinterfragen, hinter jedem Busch eine Fehlentscheidung des Chefs zu vermuten und alles anzuprangern. Ebenso falsch wäre sicher ein trotziges, pubertierendes Aufbegehren bei berechtigten Kritikpunkten.
Ein offener Diskurs im Team und in Einzelgesprächen tut not.
Ein lockeres Beisammensein – nicht nur bei der Weihnachtsfeier -, das regelmäßig die Basis setzt für ein Weiterdenken, Offenheit und Aufeinanderzugehen, tut not. Anregen könnte dies jeder. Der Chef. Und auch jeder Mitarbeiter. Doch wer tut dies nun?
Mit diesem Blog löse ich nicht die gesellschaftlichen Probleme dieser Welt. Sie, Sie persönlich finden hier eine Anregung, die Sie weiterbringt, wenn Sie in Aktion treten!
Und wenn bei Ihnen alles gut ist, dann schicken Sie den Link zu diesem Blog weiter an diejenigen, die bei der Gallup-Studie „unzufrieden“ ankreuzen würden. Und fragen so lange nach, bis sie oder er etwas ändert.
Viel Erfolg!
Ihr Markus Jotzo