Wieso ist die berühmte Rede von Martin Luther King Jr. „I have a dream“ so berühmt? Wieso werden Winston Churchill oder Tony Robbins immer wieder als großartige Redner bewundert?
Nun, von Steve Jobs habe ich einmal gehört, dass er seine Auftritte 70 Mal geübt hat. 70 Mal! Seine exakte Vorbereitung, vermutlich ein Quäntchen Leidenschaft, sehr gute Coaches und Feedbackgeber haben seine Reden besonders gemacht.
Fakt ist: Charismatisches Auftreten ist kein Zufall, sondern erlernbar. Viele Menschen denken, dass Charisma so eine angeborene Fähigkeit sei. Ist es aber gar nicht. Sicher hilft der eigene Typus oder macht es schwerer, aber vieles ist erlernbar.
Wenn wir auf passende Weise die Gefühle, Bedürfnisse und Leidenschaften der Menschen ansprechen, uns brennend interessieren, was diese Menschen bewegt, was sie sich wünschen und was sie lieben und hassen, dann können wir sie, mit unserer Art und Weise zu reden, begeistern.
In diesem Blog – und auch in den weiteren Blogs der kommenden Wochen– beginnen wir mit dem Einstieg. Wie starten Sie in Ihre Rede?
Viele Präsentatoren beginnen mit den technischen Rahmenbedingungen und Details: Ihrem Namen, dem Titel des Vortrags, der geplanten Dauer und dass Sie sich freuen, das alle da sind.
Bitte tun Sie das nicht.
Wenn Sie Ihren Namen nennen möchten, dann tut das idealerweise derjenige, der vor Ihnen spricht oder Sie sagen direkt nach Ihrer Einleitung und einer kurzen Schweigepause. „Mein Name ist Markus Jotzo und ich freue mich auf 15 spannende Minuten mit Ihnen!“ Naja, also am besten, Sie nennen Ihren eigenen Namen.
Das Ziel der Einleitung ist, die Zuhörer erstens aufmerksam zu machen für Ihr Thema. Gerade haben die Zuhörer noch telefoniert, eine Kundenreklamation erhalten oder mit Ihrem Chef gestritten. Daher ist es essentiell, mit einer packenden Einleitung die Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer für sich und Ihr Thema zu gewinnen.
Das zweite Ziel der Einleitung ist, Ihre Zuhörer emotional für sich und das Thema zu gewinnen. Emotionen packen. Emotionen fokussieren die Aufmerksamkeit. Emotionen begeistern. Also sprechen Sie Ihre Zuhörer emotional an. Wenn ich in meinen Präsentations-Seminaren frage: „Wie werden Entscheidungen getroffen – emotional oder rational?“ So sind sich alle Teilnehmer einig, dass die Emotionalität eine große, bedeutende, wenn nicht sogar die entscheidende Rolle beim Treffen von Entscheidungen spielt.
Tatsächlich reagiert der Teil des Gehirns, der für die Verarbeitung von Emotionen verantwortlich ist, die Amygdala, 0,3 Sekunden schneller als der Teil des Gehirns, der für die Verarbeitung von rationalen Argumenten verantwortlich ist. Die emotionale Entscheidung ist also schon getroffen, wenn unser Gehirn beginnt, die Argumente rational zu verarbeiten.
Wie sind aber die meisten Präsentationen aufgebaut: Exakt. Rational. Mit wenig Begeisterung und wenig Leidenschaft.
Wie machen Sie es besser? Schauen wir uns hier 5 Redeeinstiege an, die Sie auf quasi jede Rede anwenden können. Dafür braucht es von Ihnen drei Dinge: Sich etwas Zeit nehmen, Ausprobieren und Üben sowie den Mut, etwas anders zu machen als all die anderen.
Ein Verkaufsleiter hielt nach meinem Training „Begeisternd präsentieren“ einen Vortrag auf einer Messe. Anwesend waren Kunden und Nicht-Kunden. Das Unternehmen dieser Führungskraft produziert zu 100% in Deutschland und ist Weltmarktführer mit seinen Produkten. Und wie so oft können Kunden diese Produkte in China für einen deutlich geringeren Preis kaufen. Natürlich mit Abstrichen bei Qualität, Service und Lieferzeit. So begann dieser Verkaufsleiter seinen Vortrag mit einem Gleichnis: „Wenn Sie krank sind, gehen Sie dann zu einem Arzt Ihres Vertrauens oder in die Internet-Apotheke?“ Im Prinzip hätte er seinen Vortrag nach der Einleitung auch schon beenden können. Denn die Botschaft war sofort klar: Wenn Sie bei uns, dem Marktführer aus Deutschland, kaufen, dann genießen Sie die Vorteile eines Arztes Ihres Vertrauens: zeitnaher Service, hochqualitative Beratung und die besten Produkte. Wenn Sie in China oder bei anderen Billiganbietern kaufen, dann haben Sie eben potenziell weniger Beratung, weniger Qualität und längere Lieferzeiten – eben wie in der Internet-Apotheke.
Beschreiben Sie, was in den letzten Tagen passiert ist, als Sie am Projekt, über das Sie präsentieren, gearbeitet haben. Beispiel: „Letzte Woche, Mittwoch Abend, 19:15 Uhr. Wir sitzen im Meetingraum im dritten Stock und grübeln. Wie können wir mit den Lieferschwierigkeiten unserer Zulieferer umgehen? Unsere Laune ist im Keller. Denn das Timing unseres Projekts ist in Gefahr. Da kommt der Reinigungsmann mit seinem Putzlappen in den Raum. Pause. Lachen. Und dieser Kerl stellt diese einfache und Augen öffnende Frage […]“
Was der Kerl mit dem Putzlappen gesagt hat, weiß ich leider auch nicht, aber mit einer solchen Einleitung gewinnen Sie die Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer.
Wenn Sie eine solche Anekdote nun noch mit kurzen, knackigen Sätzen und direkter Rede erzählen, erleben Ihre Zuhörer die Situation eins zu eins nach und fühlen sich wie in einen spannenden Film hineingezogen.
Das Zitat muss natürlich zum Thema passen und auf die Essenz des Themas hindeuten. Beispiel: Sie möchten für Ihre Mitarbeiter persönliche Entwicklungsziele einführen. Jeder Mitarbeiter bekommt ein Jahreslernziel, das ihn in seiner Professionalität stärken wird. Dann zitieren sie den schweizer Fußballtrainer Lucien Favre, der einmal Borussia Mönchengladbach von einem Abstiegsplatz wieder in die Top-Plätze der Bundesliga gebracht hat: „Ich habe jeden Spieler 10% besser gemacht. Jetzt ist es so, als hätten wir einen Spieler mehr auf dem Platz.“
Stellen Sie Ihren Zuhörern eine Frage, um sie in das Thema hineinzuziehen. Gute Fragen erregen häufig eine große Aufmerksamkeit, da wir uns aufgefordert fühlen, über diese Frage nachzudenken oder sogar zu antworten. Beispiel: „Wer von Euch kennt das: Ihr macht einen Fehler beim Programmieren, ärgert Euch heftigst, korrigiert den Fehler und bekommt dann trotzdem noch Mecker von Euren Kollegen?“ Alternativ stellen Sie zwei oder drei kurze, aufeinander aufbauende Fragen.
Ich liebe Schmerz am Beginn einer Präsentation! Beschreiben Sie den Schmerz des Status quo, den Sie mit der Lösung Ihrer Präsentation zu verändern suchen. Menschen wollen grundsätzlich zwei Dinge: Schmerz vermeiden und Freude erleben. Also sprechen Sie explizit vom Schmerz, den Ihre Lösung reduziert, löst oder dem drohenden Schmerz, den Sie mit Ihrer Lösung vermeiden werden.
Nach meinem Training begann ein interner Trainer eines meiner Kunden einen Vortrag vor erfahrenen Servicemonteuren, die zum wiederholten Mal eine unbeliebte Pflichtschulung absolvieren mussten, auf diese Weise: „Im letzten Jahr hat ein sehr erfahrener Servicemonteur mit über 10 Jahren Serviceerfahrung die Sicherheitsschritte beim Warten der Maschine nicht eingehalten. Ein zerplatzter Hydraulikschlauch fetzte ihm das Fleisch vom Knochen seiner rechten Hand. Pause. Blickkontakt. Sie sehen gleich ein Foto dieser Hand, die der Kollege ein Jahr lang nicht benutzen konnte.“ Was glauben Sie, wie aufmerksam waren die erfahrenen Servicemonteure in dieser unbeliebten dreistündigen Pflichtschulung?
Manchmal macht auch ein situativer Ansatz Sinn, wenn Sie eine gute kreative Idee haben. Auf einer Führungskräftetagung, bei der wir den ganzen Tag bei ca. 26° C in einem sehr heißen unklimatisierten Raum saßen, begann ich meinen Vortrag so:
„Dieser Vortrag wird einer meiner heißesten Vorträge in meiner Karriere als Redner sein. Pause. Bedeutungsvoller Blick. Und das nicht wegen der Temperatur im Raum Pause, sondern wegen der Inhalte dieses Vortrages. Ich freue mich schon auf Ihr Feedback im Anschluss, inwiefern mir das gelungen ist.“
Mit einer guten Einleitung erreichen Sie zwei Dinge: Erstens, Sie haben die Aufmerksamkeit Ihrer Zuhörer, weil Sie spannender und charismatischer präsentieren als die anderen. Zweitens, Sie und Ihre Inhalte bleiben mit diesen Bildern länger in Erinnerung und überzeugen besser.
Wann beginnt Ihre Rede eigentlich? Wenn Sie anfangen, zu sprechen? Sobald Sie auf die Bühne gehen?
Nein, Ihre Rede beginnt, wenn Sie den Raum betreten. Oder wenn Sie auf den Parkplatz beim Kunden fahren. Denn Sie beginnen, zu wirken, sobald Sie von Ihren Zuhörern wahrgenommen werden. Tun Sie also alles bewusst. Sie wissen, dass alles, was Sie tun, vor und auch nach Ihrer Rede, auf Ihre Wirkung einzahlt.
Wenn Sie einen Vortrag oder eine Präsentation halten, dann beginnen Sie, nicht schon zu sprechen, wenn Sie nach vorn gehen, sondern:
Ein starker, charismatischer Auftritt ist kein Zufall. Er ist die Konsequenz sehr guter Vorbereitung und natürlich auch Übung. Und je mehr Erfahrung Sie sammeln, desto besser werden Sie sein.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß und auch Stolz, wenn Sie nun Ihre neuen Erfahrungen sammeln und von Mal zu Mal charismatischer präsentieren.
Ihr Markus Jotzo
PS: Im nächsten Blog geht es ebenfalls um Charisma. Sie erfahren u.a., wie Sie mit Dreierlisten stark wirken können.
Photo by Philipp Kämmerer on Unsplash
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