Impuls 122. Feedback für den Chef bitte!
„Herr Weiler, könnte ich mir in drei Wochen zwei Tage frei nehmen? Die ganze Familie kommt zusammen, auch die Cousins aus Stockholm.“
„Aber das fällt ja mitten in unsere heiße Phase! Da werden wir alle eher zehn Stunden arbeiten als Urlaub nehmen. Also nein, das geht beim besten Willen nicht!“
Wie wird sich der Mitarbeiter wohl fühlen, der mit seiner Frage beim Chef so aufgelaufen ist? Unverstanden wahrscheinlich, vielleicht ist er sogar enttäuscht, ganz sicher aber fühlt er sich nicht wertgeschätzt. Dabei hat er sich in den letzten Jahren doch immer so bemüht! Er hat bei Überstunden nicht gejammert, war in den Meetings immer einer der Aktivsten und gerade erst letzten Monat hat er auch am Wochenende gearbeitet, um ein dringendes Projekt fertigzustellen.
Und wie wird dieser Mitarbeiter nach dem misslungenen Gespräch an seinen Arbeitsplatz zurückkehren? Reichlich frustriert, sicherlich mit wenig Motivation und noch weniger Engagement. Dieser Mitarbeiter wird zwar auf dem Papier weiterhin da sein, doch er wird dem Team, der Abteilung, dem Unternehmen ohne Elan und Antrieb nicht viel nutzen.
In der Folge ist die Situation schnell verfahren. Der Mitarbeiter tut Dienst nach Vorschrift, ist jeden Morgen um acht Uhr da, beantwortet die Kundenanfragen am Telefon freundlich und sachlich. Seine Projekte schließt er pünktlich ab und sie passen stets ins Budget. Der Vorgesetzte kann diesem Mitarbeiter nichts vorwerfen, er erledigt schließlich seine Arbeit. Aber damit ein Team wirklich gute Ergebnisse liefern kann, braucht ein Vorgesetzter mehr von seinen Mitarbeitern. Er ist angewiesen auf engagierte Kollegen, die sich für ihre Arbeit, ihr Projekt begeistern, die sich reinknien. Und vor allem kann keine Abteilung leistungsorientiert arbeiten ohne Leute, die neue Ideen einbringen. Davon lebt jedes Unternehmen.
Allerdings bringen sich nur zufriedene Mitarbeiter ein und engagieren sich über den Standard hinaus. Das heißt nicht, dass Sie als Chef um die Zufriedenheit Ihrer Mitarbeiter buhlen, jeden Wunsch erfüllen und jeden x-beliebigen Tag frei geben müssen. Es ist jedoch essentiell für jede Führungskraft, einfühlsam, wertschätzend und fair mit ihren Mitarbeitern umzugehen. Nur so können Sie die Zufriedenheit in Ihrem Team gewährleisten und fördern.
Wie Ihnen das als Führungskraft gelingt? Eine gute Möglichkeit ist es, sich als Teamleiter Feedback von den Mitarbeitern einzuholen. Jeder Chef, jeder Abteilungsleiter, jeder Teammanager sollte es sich zur Gewohnheit machen, seine Mitarbeiter nach ihren Meinungen zu fragen. Sind sie zufrieden mit ihrem Vorgesetzten? Was stört sie am Führungsstil des Chefs, was funktioniert schon ganz gut? Erst wenn Ihnen ein solches Feedback vorliegt, können Sie korrekt einschätzen, wie zufrieden Ihre Mitarbeiter sind und inwieweit Sie mit Ihrer Führung zu deren Zufriedenheit beitragen.
Damit Feedback sinnvoll wirken kann, ist ein regelmäßiger Austausch nötig. Viele Unternehmen führen einmal pro Jahr Befragungen oder Mitarbeitergespräche durch, bei denen die Chefs bewertet werden. Das ist in meinen Augen zu wenig. Ich empfehle, als Führungskraft alle sechs Monate Feedback zu erbitten, am besten schriftlich. Denn da werden sich vor allem schüchterne Mitarbeiter doch ehrlicher äußern als von Angesicht zu Angesicht.
In meinen Seminaren rate ich für das Feedback zu einer Skala von 1 bis 10. Diese hat sich bereits in verschiedensten Unternehmen bewährt. So wird das Feedback Ihrer Mitarbeiter sehr viel anschaulicher, als wenn Ihnen einer im Gespräch lediglich antwortet: „Mir gefällt Ihr Stil ganz gut.“ Ist das eine 5 oder eine 8? Und besonders wichtig: Finden Sie heraus, was zur 10 fehlt!
Nur wenn Sie sich regelmäßig ein Feedback von Ihren Mitarbeitern geben lassen, können Sie auf deren Wünsche und Unzufriedenheiten unmittelbar und konstruktiv reagieren. Natürlich kostet es zunächst eine gute Portion Überwindung, so ein Feedback in einer Führungsposition auszuhalten und anzunehmen. Denn normalerweise ist es doch der Chef, der Kritik und Bewertungen austeilen darf, anstatt sie einzustecken.
Doch es lohnt sich: Ein Vorgesetzter, der sich offen für Feedback, Wünsche und Kritik zeigt, der die Rückmeldungen seiner Mitarbeiter annimmt und darauf eingeht, wird insgesamt zugänglicher. Machen Sie es sich selbst zur Maxime, angemessen auf Feedback zu reagieren – oder fair zu erklären, warum Sie es in einem bestimmten Fall nicht tun. Ihre Mitarbeiter werden dann offener auf Sie zugehen – immer mehr nicht nur mit Feedback, sondern auch mit Ideen und Engagement für neue Projekte. Denn wer sich von seinem Chef ernst genommen fühlt, bringt sich mit mehr Spaß an der Sache gleich viel aktiver ein.
Und das ist doch die wahre Belohnung: wenn ein Mitarbeiter mit einer frischen Idee gerne an Ihre Bürotür klopft, weil er seinem Chef motiviert und engagiert zuarbeitet.
Wie gut finden Sie die Feedback-Kultur in Ihrem Unternehmen auf einer Skala von 1 bis 10? Wie oft erhalten Sie insgesamt Feedback von Ihren Mitarbeitern?