Impuls 132. Gesunder Egoismus ist gut
„Put on your own oxygen mask first, before assisting others.“
Ich blicke mittlerweile ja kaum noch auf, wenn die Sicherheitsanweisung im Flugzeug abgespielt wird. Zum Nachdenken brachte mich der Hinweis auf die Sauerstoffmaske kürzlich aber doch. Erst soll ich mir selbst helfen, bevor ich mich um andere kümmere.
Was im Flugzeug so logisch klingt, ist im Business und auch im Privaten oft verpönt. Da richten sich Menschen enorm nach dem, was andere erwarten. So fragte mich nach einem Vortrag einmal ein Mann im Saal: „Ich will mich selbstständig machen, aber meine Frau fürchtet, dass sie und die Kinder dann zu kurz kommen. Was empfehlen Sie mir, Herr Jotzo?“
Seien Sie egoistisch
Ich empfehle ihm und Ihnen: Seien Sie egoistisch!
Das klingt hart? Es tut aber beiden Seiten gut. Stellen Sie sich vor, der Vortragsteilnehmer hält mit seinen Wünschen hinter dem Berg. Er bleibt in seinem Acht-bis-fünf-Job, ist jeden Abend pünktlich zu Hause, spielt mit den Kindern. Die Familie wäre damit wohl zufrieden. Aber was ist mit ihm? Er zeigt mit jedem Tag weniger Elan und Motivation. Indem er nicht tut, was er wirklich möchte, schadet er sich selbst – und verbreitet dann zunehmend auch schlechte Stimmung in der Familie.
Das Gleiche passiert, wenn Sie sich von gesellschaftlichen Normen unter Druck setzen lassen. Angenommen, Sie haben einen guten Job mit toller Bezahlung und super Aufstiegsmöglichkeiten – fühlen sich bei Ihrem Arbeitgeber aber einfach nicht wohl. Dann wird Ihnen von allen Seiten geraten: „Bleib lieber da, da hast du es doch gut, das ist sicher.“ Also bleiben Sie da, in Ihrer Komfortzone – und das ungute Gefühl schnürt Ihnen immer mehr die Luft ab, während die Sauerstoffmaske ungenutzt vor Ihrer Nase baumelt.
Ab in die Überforderung
Deshalb denken Sie zuerst an sich! Nicht daran, der Gesellschaft, der Familie, dem Partner oder den Freunden zu gefallen. Denn den größten Nutzen stiften Sie, wenn Sie sich erst um Ihr Wohl kümmern und dann um die Belange der anderen.
Dabei führt natürlich kein Weg an der Überforderungszone vorbei. Wer zum Beispiel in die Selbstständigkeit gehen will, muss erstmal den alten, vermeintlich sicheren Job aufgeben, Geld investieren, vielleicht privat zurückstecken, das Geschäft langsam aufbauen und so weiter. Und während all der Zeit ist da noch die Familie, mit der er seine Entscheidung immer wieder diskutieren muss. Hier toben zwei Kämpfe parallel.
Dem Widerstand trotzen
Damit Sie diese Doppelbelastung durchhalten, überlegen Sie sich genau, wofür Sie das auf sich nehmen. Was möchten Sie mit Ihrem Leben anfangen? Was möchten Sie erreichen? Und nehmen Sie dann Ihre innere Stimme ernst und verfolgen Sie Ihren Traum selbst gegen Widerstände. Sie werden daran wachsen und die Überforderung weicht allmählich einer tiefen Zufriedenheit, weil Sie das tun, was Sie erfüllt.
Damit Sie Ihre familiäre Situation nicht gegen die Wand fahren, bleiben Sie mit allen Beteiligten im Dialog. Treffen Sie Absprachen über das Ausmaß Ihrer Aktivitäten und bleiben Sie gleichzeitig egoistisch. Anderen helfen, Ihnen die sinnbildliche Sauerstoffmaske aufsetzen, das können Sie erst dann am besten, wenn Sie selbst frei atmen.
1 Kommentar
Ganz genau, es steckt etwas weitsichtiges dahinter, sich zuerst selbst zu helfen, um anderen dadurch besser helfen zu können. Das lässt sich auch auf die Situation des Mannes mit den Selbstständigkeitsplänen beziehen – auf lange Sicht kann das zu einem sehr viel intakteren Familienleben führen – zu mehr Zufriedenheit, die in alle Lebensbereiche strahlt und vor allem zu mehr Selbstbestimmtheit, wann und wieviel Zeit die Familie einnehmen darf.
Der Titel des Beitrages hat mich sehr an den Leitspruch unserer Agentur erinnert und ist ähnlich verpönt, obwohl auf lange Sicht sinnvoll: eine gesunde Portion Narzissmus ist unerlässlich für die richtige Selbsteinschätzung und einen positiven Entwicklungsprozess. Übertragen auf unser Business, die emotionale Markenbildung: „Wer mit dem Stier kämpft, sollte wissen, wo er steht“.