Impuls 20. „Chef, so geht das nicht“
Seit einigen Monaten werden immer wieder geheime Daten über die Überwachungspraktiken der USA bekannt. Edward Snowden hat NEIN gesagt: ‚Was die USA tut, widerspricht meinem Rechtsverständnis und die Öffentlichkeit muss das erfahren‘, so dachte wohl Snowden. Die Konsequenz: Die USA macht ihn zum neuen Staatsfeind Nr. 1. Sympathisanten hingegen nennen seine Tat „zivilen Ungehorsam“ (DIE ZEIT Nr. 27, Politik, S.2 bit.ly/18KBLfx).
Widerspruch unerwünscht
Und in deutschen Unternehmen?
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Wie reagieren Mitarbeiter, wenn der Chef Dinge tut, die sie nicht gutheißen? Sagen die Mitarbeiter ihrem Chef direkt ihre Meinung und diskutieren intensiv darüber, was die beste Lösung ist?
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Gewiss, es gibt diese Mitarbeiter. Doch sie sind in der Unterzahl. Warum ist das so? Betrachten wir den Fall Snowden, fällt die Antwort natürlich leicht.
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Aber: Heutzutage sitzen eine Menge Menschen in Führungspositionen, die vom Revolutionsdrang der 68er Generation geprägt wurden. Für die sollte es doch normal sein, in den intensiven Diskurs mit ihren Mitarbeitern zu gehen oder diesen sogar zu pflegen.
Tatsächlich sind viele Führungskräfte jedoch Machtmenschen, wie eine jüngste Studie von Laura Guillén, von der European School of Management and Technology erneut zeigt (Laura Guillén im Interview: www.esmt.org/eng/esmt-faclty?video_id=329863 … und Harvard Business Manager, Juli 2013).
Macht bedeutet für Chefs, selbst entscheiden und nicht eine demokratische Diskussion umarmen, deren Ergebnis auch von anderen beeinflusst wird.
Das Fördern kritischen Denkens bleibt also immer häufiger auf der Strecke. Es gibt ja auch genug Projekte, Meetings und E-Mails, um die sich Chefs kümmern müssen.
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Übrigens tappen nicht nur die Starken, die Macht-Chefs, häufig in diese Falle. Auch weniger starken Menschen fällt die offene und bereitwillige Auseinandersetzung mit kritischem Denken schwer. Denn wie soll man die Büchse der Pandora wieder schließen, wenn jeden Tag kritisiert und diskutiert wird?
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JA sagen ist Pflichtverletzung
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Dabei kann keiner alles wissen. Wenn der Chef alles allein entscheidet, dann ist die Firma nur so schlau wie der Chef. „Nun ja, ALLES entscheide ich nicht allein“, werden Sie jetzt vielleicht sagen. Ok, vielleicht nicht alles. Aber fragen Sie doch mal Ihre Mitarbeiter, wie stark die sich grundsätzlich bei Firmenentscheidungen einbezogen fühlen. Und was sie sich wünschen würden.
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Mitdenken lassen motiviert
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Jeder Mensch möchte gern einen Beitrag leisten zum Gesamtergebnis. Keiner möchte sich wie ein Steine schleppender Sklave fühlen, obwohl er einen großen Teil zum Gesamtergebnis beiträgt. Das gilt übrigens für jedes Team, egal ob Produktions-Mitarbeitern oder bei Büro-Angestellten.
Ich gebe zu, manchmal muss man seinen Mitarbeitern die Vorteile des kritischen Mitdenkens erst schmackhaft machen. Doch danach sind die Arbeitsergebnisse um Längen besser. Die Motivation und Mitarbeiter-Bindung steigen an. Warum? Weil die Mitarbeiter Teil der Lösung sein dürfen und sich in dem Endergebnis wieder erkennen.
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Zum NEIN sagen erziehen
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Die Aufgabe einer jeden Führungskraft ist es daher, bei Mitarbeitern kritisches Denken konsequent einzufordern. Einen Weg dahin lernte ich vor ca. fünf Jahren von einer Führungskraft in meinem Training: Einmal pro Monat im Team-Meeting gibt es neben der Agenda vier Fragen zu klären:
– Was läuft im Team gerade gut?
– Was sollten wir verbessern?
– Was mache ich als Führungskraft momentan gut?
– Was kann ich als Führungskraft momentan besser machen?
Sicher werden beim allerersten Mal nicht die großen Enthüllungen auf den Tisch kommen. Doch wenn diese Diskussion des Selbstbewusstsein des Teams stärkt, wenn nach und nach Dinge verbessert werden, dann sind Sie mit Ihrem Team auf einem guten Weg.
Und die USA? DIE ZEIT schreibt „Amerika hat derzeit nicht die Kraft zur Selbstkorrektur“ (DIE ZEIT vom 4.7.2013, Nr. 28, S. 1). Genau so geht es auch jedem Chef. Das ist aber keine generelle Schwäche von Führungskräften, sondern im System verankert.
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