Impuls 153. #niezuvorgemacht – Jeden Tag abhängig von anderen
Vier Wochen ohne Geld. Das sind lange 28 Tage, an denen ich nicht sicher sein kann, ob ich morgens mein geliebtes Müsli bekomme oder wie ich satt werde. Immer wieder Tage, an denen mein Kameramann Fabian und ich bangen, ob wir unter der Brücke schlafen oder irgendwo ein trockenes Nachtquartier finden. Das sind über Tausende von Momenten, an denen ich auf das Wohlwollen anderer angewiesen bin.
Diese Vorstellung hat mir vor der Reise schlaflose Nächte bereitet.
Die Erwartungen
Schließlich muss ich fremde Menschen ansprechen und sie bitten, mir zu helfen. In meinem Kopfkino ging ich betteln und schnorren, malte mir in den dunkelsten Farben aus, wie ich auf Ablehnung stoße. Schon allein diese beiden Wort „betteln“ und „schnorren“ waren für mich so negativ belegt, dass sie mir Sorgenfalten auf die Stirn trieben. Aber mein Plan stand: Vier Wochen ohne Geld, Unterkunft, Proviant und Mitfahrgelegenheit von Hamburg auf die Zugspitze.
Also recherchierte ich ein bisschen im Internet, überlegte mir, was ich meinen Unterstützern als Gegenleistung anbieten und mit welchen Aktionen ich Geld verdienen könnte. Singen? Naja, mehr schlecht als recht. Ich könnte beim Einkaufen, Putzen oder Handwerkern mit anpacken. Scherbenlaufen kann ich anbieten – das haben die meisten Menschen nie zuvor gemacht und es ist etwas besonders.
Als es am 17. Juli dann los ging, war mein Gedankenkoffer gepackt mit vielen Ideen und mindestens genauso vielen Befürchtungen.
Die Realität
Und wie es im Leben eben so ist: Es kommt immer anders als man denkt. Auch auf meiner #niezuvorgemacht-Reise: Wir sind schon so vielen Menschen begegnet, die uns ganz selbstlos zumeist sogar ohne Gegenleistung geholfen haben. Die uns mit in ihr ganz privates Reich genommen, Wäsche für uns gewaschen, ihr Essen mit uns geteilt und uns eine Schlafmöglichkeit zur Verfügung gestellt haben. Privater geht es kaum. Wir dürfen unsere Wasserflaschen jederzeit irgendwo auffüllen, die Bäcker/-innen überlegen, welches Teilchen sie für uns abschreiben können und es sind sogar Menschen auf uns zugekommen, die uns einfach so Geld zugesteckt haben.
Das ist so klasse und macht die Reise deutlich leichter als ich sie mir in meinen Träumen ausgemalt hatte. Von anderen abhängig zu sein kann sogar Freude bringen. Denn mit meinen vielen Helfern und den Bekanntschaften unterwegs habe ich schon so spannende Gespräche geführt – von lustig bis traurig, von oberflächlich freundlich bis tiefgreifend, von einem kurzen Schnack bis zu mehreren Stunden. Diesen Austausch mit so vielen und unterschiedlichen Leuten ist für mich unschätzbar wertvoll.
Die Überwindung
Doch diese Erfolgserlebnisse stellen sich nicht von allein ein. Das ist auch harte Arbeit und kostet mich jedes Mal aufs Neue Überwindung. Was sonst im Alltag total normal ist, muss ich mir erbitten. Jeden Tag, immer und immer wieder. Und ich muss weiter machen, damit wir nicht hungrig bleiben und auf der Straße nächtigen – trotz der Rückschläge und Neins, die wir jeden Tag kassieren. Denn etwa die Hälfte der Menschen, die wir fragen, möchte uns nicht unterstützen. Und das ist völlig okay.
Schließlich ist es auch für mein Gegenüber stets eine Überwindung. Erst einmal überhaupt mit mir zu sprechen – derjenige weiß ja gar nicht, ob ich vielleicht böse Absichten habe. Und bei meinen Unterstützern ist es der erste Schritt, mir Vertrauen zu schenken. Die Menschen vertrauen mir, dass ich die Wahrheit sage und ich mit den zum Teil sehr privaten Informationen und den Spenden kein Schindluder treibe.
Aber glaubt mir: Diese Überwindung lohnt sich für beide Seiten! Egal auf welcher Seite ihr steht, überwindet euch, auf andere Menschen zuzugehen, das eröffnet einfach euren Horizont und bringt so tolle Erfahrungen, die euch im Leben weiterbringen.
Greift solche Gelegenheiten beim Schopf und macht Dinge, die ihr nie zuvor gemacht habt.
4 Kommentare
Hallo Ihr Beiden,
ich wünsch euch einen tollen Tag in Konstanz. Da ich leider seit Tagen im Bett liege, konnte ich weder in R-Zell noch kann ich in Konstanz dabei sein. Schade, nichts desto trotz, genießt den See. Erklimmt die Stufen des Konstanzer Münsters 🙂 ihr werdet mit einem tollen Ausblick dafür belohnt.
Viel Spaß
Gaby
Liebe Gaby,
der See hat uns sehr herzlich empfangen mit bestem Wetter und eine Überfahrt auf dem Katamaran wurde uns auch noch gespendet. Wir wünschen dir gute Besserung und vielleicht willst du nach deiner Genesung in Erinnerung an uns mal etwas in Konstanz tun, das du #niezuvorgemacht hast? 😉
Viele Grüße
Markus
Hallo Herr Jotzo,
seit ich aus dem Urlaub zurück bin verfolge ich interessiert und vergnügt Ihre tolle Reise – und würde auch gern mal etwas machen, was ich nie zuvor gemacht habe…
Haben Sie Lust mit mir ein Seminar zu organisieren zum Thema „Nie zuvor gemacht“, ein „Mit-mach-Mut-Mach-Seminar“ für die Leute, die viel mehr können als sie sich zutrauen? Inhalte: weiß ich noch nicht. Vielleicht spontan entstehen lassen…
Freue mich auf Ihre Antwort.
Viele herzliche Grüße und noch ganz viel Spaß und Mut bei der weiteren Umsetzung Ihres Projektes 😉
Andrea Koltermann
Hallo Frau Koltermann,
ich melde mich nach meiner Reise und meinem Urlaub bei Ihnen. Dann können wir mal drüber plauschen.
Viele Grüße
Markus Jotzo